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XXIV. Die allgemeinen Rechte der Staatsbürger usw. 123
Schaft gelegenen Treuverhältnis, daß es immer nureinem einzigen Staate gegenüber
bestehen kann,^)
Im Wesen des Staatsverbandes liegt es ferner, daß die Staatsbürgerschaft
durch die gleichen famüienrechtlichen Tatsachen begründet wird, in welchen sich
die Erneuerung des Staatsvolkes von Generation zu Generation vollzieht. Daher
teilen die Ehefrauund die minderjährigen Kinder die Staatsbürgerschaft desMannes
und des Vaters; sie wird diu^ch Eheschließung vom Manne auf die Ehefrau, vom
Vater auf die ehelichen oderlegitimierten Kinder, von derMutter auf die unehelichen
Kinder übertragen. Außerdem wird die Staatsbürgerschaft durch ausdrückliche
Verleüiung (Einbürgerung, Naturalisation) erworben. Verloren wird die Staats-
bürgerschaft durch Verehelichung oder Legitimation in entgegengesetzter Richtung
sowie durch die Auswanderung. Auswanderung wird dann angenommen, wenn
ein Staatsbürger das Staatsgebiet mit dem aus den Umständen erkennbaren
Vorsatze verläßt, die österreichische Staatsbürgerschaft aufzugeben.
XXIV. Die allgemeinen Rechte der Staatsbürger und der Grundsatz
der Rechtsgleichheit.
Um die Staatsbürger vor ungerechtfertigten Eingriffen der Staatsgewalt
in ihren persönlichen Lebenskreis zu bewahren, sind ihnen in vielen modernen Ver-
fassungen Freiheitsrechte zuerkannt worden, welche die Staatsgewalt
dem Individuum gegenüber einschränken. Das ist das Ergebnis einer weit zurück-
reichendenEntwicklung.Schon im ständischen Staate mußte derFürst seineMacht
durch Freiheitsbriefe einengen, welche zugleich die Rechtsstellung der Stände
befestigten. Durch die Anerkennung der Glaubens- und Gewissensfreiheit hat
der Staat späterhin seine Gewalt auf das äußere Verhalten der Untertanen be-
schränkt und ihr geistiges Leben freigegeben. Weitergehende Forderungen leitete
das Natun-echt aus der Lehre vom Staatsvertrag ab^): nicht völlig hätten sich
die Menschen durch diesen Vertrag ilirer ursprünglichen Freiheit entäußert, sondern
nur soweit die staatliche Organisation der Gesellschaft es erfordere. Zum Schutze
der unveräußerlichen Menschenrechte: von Leben, Freiheit, Eigentum müßten
demnach der Staatsgewalt unübersteigbare Schranken gezogen werden. Nach
dem Beispiele der Verfassungen, die sich die amerikanischen Kolonien gaben,
als sie sich von England lossagten, wm'de 1789 in Frankreich von der konstitu-
ierenden Versammlung die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte beschlossen.
Ihre Grundsätze gmgen in die französische Verfassung von 1791 und in eine Reihe
von späteren Verfassungen über, denen jene zum Muster diente. So unter dem
Einflüsse der belgischen Verfassung von 1831 auch in den Kremsierer Entwurf
einer Verfassung für Österreich^), in die oktroyierte Verfassung vom 4. März 1849
und endlich in der Form des Staatsgi'undgesetzes vom 21. Dezember 1867 über
die allgemeinen Rechte der Staatsbürger in die gegenwärtig gültige Verfassung
^) Im Bundesstaate sind die Bürger eines Bundesstaates durch diesen zugleich Bürger des
Gesamtstaates. So wird im Deutschen Reiche die Bundesangehörigkeit durch die Staatsange-
hörigkeit in einem Bundesstaate erworben; sie erlischt auch mit deren Verlust. Anderseits kann
jeder Angehörige eines deutschen Staates in jedem andern deutschen Staate, wo er sich nieder-
läßt, die Aufnahme als Staatsbürger verlangen. — *) Vergl. oben S. 25 f.— ») Vergl. oben
S. 51.
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Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918