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126 XXV. Die persönliche Freiheit.
über die allgemeinen Rechte derStaatsbürger erklärt. Hiezu fügt sie Bestimmungen
zum Schutze des Briefgeheimnisses, die durch das Gesetzvom 6. April 1870 weiter-
hin ausgeführt worden sind.
1. Der Schutz der persönlichen Freiheit besteht darin, daß
niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf. Der Lauf der
Gerechtigkeit soll selbstverständlich nicht gehemmt, jede andere Freiheitsbe-
schränkung aber verhindert werden. Daher ist Verhaftung nur auf Grund eines
richterlichen Befehls, sonstige Anhaltung aus gesetzlichen Gründen nur auf höch-
stens 48 Stunden zulässig. Innerhalb dieser Frist muß der Verhaftete entweder
freigelassen oder an die zuständige Behörde abgeliefert werden. Die wegen Flucht-
verdachtes verhängte Haft ist gegen Leistung angemessener Kaution oder Bürg-
schaft aufzuheben, Ausweisung und Internierung (Zwangswohnsitz) außer in den
durch Gesetz bezeichneten Fällen ausgeschlossen.
2. In Zusammenhang damit steht die zur Sicherung der Freizügig-
keit getroffene Bestimmung, daß jeder Staatsbürger an jedem Orte des Staats-
gebietes seinen Aufenthalt und Wohnsitz nehmen kann. Die Freiheit der Aus-
wanderung istvon Staatswegennur durch dieWehrpflicht beschränkt. Aus Gründen
der öffentlichen Sicherheit, der Sittlichkeit und der Ordnung des Armenwesens
ergaben sich jedoch gewisse Einschränkungen der Freizügigkeit. Zu-
nächst sind die Gemeinden nach den Gemeindeordnungen berechtigt, heimats-
fremde Personen au szuwe i s e n, die mit ihren Angehörigen keinen unbescholtenen
Lebenswandel führen und der öffentlichen Müdtätigkeit zur Last fallen. Auf
Grund eines polizeilichen Erkenntnisses können gewisse, der öffentlichen Sicherheit
oder Sittlichkeit gefährliche Personen in ihre Heimatsgemeinde, Ausländer in
das Ausland abgeschoben werden. Gefährden derartige Personen nur den
Aufenthaltsort oder bestimmte Gebietsteile, so können sie mit dem Verbote ab-
geschafft werden, dahin jemals oder binnen einer bestimmten Zeit zurück-
zukehren. Weitergehende Freiheitsbeschränkungen bringt die Stellung unter
Polizeiaufsicht mit sich, die anläßlich der Verurteilung wegen gewisser
gemeingefährlicher Handlungen ausgesprochen werden kann; insbesondere kann
auch das Verbot, bestimmte Orte zu betreten oder zu verlassen verhängt werden.
Bei Verurteilungen wegen solcher Delikte, die hauptsächlich auf Arbeitsscheu
beruhen, kann die Abgabe inZwangsarbeitsanstalten verfügt werden,
für jugendliche Taugenichtse sind Besserungsanstalten da.
3. Der Schutz des Hausrechtes bringt es mit sich, daß Haus-
durchsuchungen als Maßnahmen der Strafrechtspflege in der Regel nur Kraft
eines mit Gründen versehenen richterlichen Befehles vorgenommen werden dürfen.
Bei Gefahr am Verzuge können sie auch von anderen mit der Sicherheitspflege
betrauten Stellen angeordnet, unter gewissen Voraussetzungen auch von den
Sicherheitsorganen aus eigener Macht vorgenommen werden. Auch behufs Ahndung
von Gefällsübertretungen und bei der Durchführung der Polizeiaufsicht sind Haus-
durchsuchungen zugelassen.
4. Um das Brief- und Schriftengeheimnis zu schützen, wird
die amtliche Beschlagnahme oder Eröffnung von Briefen oder anderen unter
Siegel gehaltenen Schriften außer den Fällen der Hausdurchsuchung oder der
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Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918