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XXVI. Die wirtschaftliche Freiheit. 127
Verhaftung nur im Kriegsfalle oder auf Grund eines richterlichen Befehles beim.
Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen^) als zulässig erldärt.
In Ausübung des Amtes oder Dienstes vorgenommene Verletzungen der
persönlichen Freiheit oder des Hausrechtes werden, wenn sie auf bösem Vorsatz
beruhen, als Verbrechen des Mißbrauches der Amtsgewalt, sonst ebenso wie die
Verletzungen des Briefgeheimnisses als Übertretungen bestraft.
XXVI. Die wirtschaftliche Freiheit.
Die in dem Staatsgrundgesetze über die allgemeinen Eechte der Staatsbürger
festgelegten Grundsätze wtschaftlicher Freiheit stehen ebenso wie die Grundsätze
der persönlichen Freiheit in engem Zusammenhange mit der „liberalen" Volks-
wirtschaftspolitik des 19. Jahrhunderts. Um eine im wesentlichen auf der Sicher-
heit des Eigentums und der Vertragsfreiheit beruhende "Wirtschaftsordnung zu
begründen, hat diese Politik die Individuen aus den Fesseln der geschichtlichen
Wirtschaftsformen gelöst. Von dem freien, durch staatliche Eingriffe möglichst un-
berührten Walten der Privatinteressen erwartete sie die Blüte der Gesamtheit.
Zur Freizügigkeit der Person kommt daher auch die Freizügigkeit
des Vermögens hinzu. Jeder Staatsbürger kann an jedem Orte des Staats-
gebietes seinen Aufenthalt und Wohnsitz nehmen, Liegenschaften jeder Art er-
werben und über dieselben frei verfügen, sowie unter den gesetzlichen Bedingungen
jeden Erwerbszweig ausüben. Von den Auswanderern dürfen Abfahrtsgelder
nur in Anwendung der Reziprozität erhoben werden.^) Es steht jedermann frei,
seinen Beruf zu wählen und sich für denselben auszubilden, wie und wo er wüL
Die Freiheit des Erwerbs, der Berufswahl und Berufsaus-
bildung wird jedoch eingeengt durch die gesetzlichen Vorschriften über die
Vorbildung zu gewissen Berufen (Ärzte, Advokaten, Beamte der verschiedenen
Dienstzweige usw.), insbesondere aber durch die Anforderungen der Gewerbe-
ordnung in Bezug auf den Antritt der Gewerbe und die gewerbliche Ausbildung.^)
Das Eigentum ist als unverletzlich erklärt. Eine Enteignung
gegen den Willen des Eigentümers kann nur in den Fällen und in der Art eintreten,
welche das Gesetz bestimmt. Im Zusammenhange mit der bereits erwähnten Auf-
hebung des Untertänigkeits- und Hörigkeitsverbandes steht die Bestimmung^
daß jede aus dem Titel des geteilten Eigentums*) auf Liegenschaften haftende
Schuldigkeit oder Leistung für ablösbar erklärt und für die Zukunft untersagt
wird, eine Liegenschaft mit einer derartigen unablösbaren Leistung zu belasten.
^) So z. B. auf Grund der Strafprozeß-und Konkursordnung, bei der Behandlung unbestell-
barer Briefe oder aus gesundheitspolizeilichen Rücksichten. — *) Für die tote Hand (Körper-
schaften und Anstalten, wohl auch Fideikommisse, im engeren Sinne nur kirchliches Vermögen)
sind Beschränkungen des Rechtes, Liegenschaften zu erwerben und über sie zu verfügen, im
Wege des Gesetzes (sogenannte Amortisationsgesetze) aus Gründen des öffentlichen Wohles zu-
lässig. Von dieser Ermächtigung hat die spätere Gesetzgebung Österreichs jedoch keinen Ge-
brauch gemacht.— *) Vergl. das XLIV. Kapitel. — *) Vor der Grundentlastung stand dem
Gutsherrn das Obereigentum am Bauernlande zu. Auch das Verhältnis von Lehensherrn und
Lehensmann zum Lehen wurde als Ober- und Untereigentum aufgefaßt. Die letzten Reste des
Lehensverbandes wurden in Österreich erst in den Sechzigerjähren des vorigen Jahrhunderts
durch die sogenannten AUodifikationsgesetze (von Allod, das frei verfügbare Gut im Gegen-
satz zum Feod, dem Lehen) beseitigt.
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Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918