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Vor 1918
Österreichische Bürgerkunde
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130 XXVII. Die Glaiibensfreiheit. durch Verträge nach der Art völkerrechtlicher Abmachungen: durch Kon- kordate geregelt^). Dieselben verpflichten zunächst nur die vertragschließenden Teile; das Verhalten der Staatsbürger und Kirchenglieder wird durch die beider- seitige Gesetzgebung und Verwaltung den Abmachungen angepaßt. Zu diesem System ging auch Österreich über, nachdem das auf die Beherrschung der Kirche durch den Staat gerichtete Staatskirchentum aufgegeben war, das unter Josef IL seinen Höhepunkt erreicht hatte und in abgeschwächter Form über die Mitte des vorigen Jahrhunderts hinaus fortbestand. Ein Konkordat, welches die Stellung der katholischen Kirche dem Staate gegenüber erheblich verstärkte, wurde nach mehrjährigen Verhandlungen 1855 abgeschlossen und als Staatsgesetz kundgemacht; 1870 wurde es im diplomatischen Wege gekündigt, nachdem die Verfassung von 1867 einen von den Voraussetzungen des Konkordates grundsätz- lich verschiedenen Standpunkt eingenommen und die daran sich anschließende Gesetzgebung über das Eherecht, das Schulwesen und die interkonfessionellen Verhältnisse wichtige Bestimmungen des Konkordates beseitigt hatte. Die gegenwärtige Kirchengesetzgebung Österreichs steht auf dem Standpunkte der staatlichen Kirchenhoheit. Darnach nimmt der Staat die Be- fugnis für sich in Anspruch, die rechtliche Stellung der Kirchen- und Religions- gesellschaften im Staate und ihr gegenseitiges Verhältnis selbständig zu regeln. Sie erhalten dadurch die Stellung öffentlich-rechtlicher Korporationen oder An- stalten. Vermöge des Interesses, das der Staat an dem religiösen und sittlichen Leben nimmt, begünstigt der Staat diese Korporationen; anderseits sucht er zu verhindern, daß sie seine Interessen schädigen. Schutz- undAufsichtsgewalt sind die beiden Seiten staatlicher Kirchenhoheit; die Aufsichtsgewalt schließt auch die Befugnis in sich, neuen Religionsgesellschaften die Anerkennung zu erteüen oder zu versagen. Die radikaleForderung nachTrennung der Kirche vom Staate ist darauf gerichtet, alle Belange des öffentlichenLebensdem Einflüsse der Kirche zuentziehenundderKirche die öffentlich-rechtliche Anerkennung ihrer Organisation sowie jegliche staatliche Unterstützung zu versagen. Religionsübung und Religions- pflege gelten darnach ledigHch als Privatangelegenheiten der Glaubensgenossen; ihre Vereinigungen werden nach dem allgemeinen Vereinsrecht behandelt oder aber besonderen Normen unterworfen, um die Entfaltung des kirchlichen Lebens und die Wirksamkeit der kiichlichen Organe soweit zu beschränken, als es der Staat seinem Interesse entsprechend erachtet. Gleichzeitig wird in der Regel die Ausschaltung der Religion aus der Schule gefordert. Die hiermit gekennzeichneten drei Typen des Verhältnisses zwischen Staat und Küche sind verschiedenen Weltanschauungen entsprungen, denen grund- sätzlich verschiedene politische Richtungen entsprechen. Das Koordinationssystem führt zu einer Einschränkung des staatlichen Machtbereiches zugunsten der von der Kirche in Anspruch genommenen Autonomie. Die Trennung der Kirche vom Staate ist die äußerste Folgerung der Aufklärung und des politischen Liberalismus. Der Grundsatz staatlicher Khchenhoheit ermöglicht jene Mittellinie zwischen dem kirchlichen Standpunkte und den Grundsätzen politischer Freiheit, welche zugleich auch die staatlichen Interessen wahrt. Wie so oft im staatlichen Leben *) Doch sind Konkordate auch mit dem Systeme staatlicher Kirchenhoheit vereinbar.
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Österreichische Bürgerkunde
Titel
Österreichische Bürgerkunde
Autor
Heinrich Rauchberg
Verlag
Verlag von F. Tempsky
Ort
Wien
Datum
1911
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
16.4 x 24.0 cm
Seiten
278
Kategorien
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