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Österreichische Bürgerkunde
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140 XXXII. Die Gesetzgebung. an das Gesetz und verpflichtet die Untertanen zu einem seinem Inhalte gemäßen Verhalten. Das ist die materielle Gesetzeskraft. Die formelle Gesetzes- Icraft aber besteht darin, daß ein Gesetz auf keine andere Weise aufgehoben oder abgeändert werden kann als wieder durch ein Gesetz. Die durch Gesetz getroffene Anordnung hat also einen festeren Bestand. Die formelle Gesetzeskraft jener Gesetze, die wegen ihrer Wichtigkeit für die Verfassung ausdrücklich als S t a a t s- grundgesetze bezeichnet sind^), wird dadiu-ch gesteigert, daß ihre Abänderung oder Aufhebung in beiden Häusern des Reichsrates nur bei Anwesenheit einer höheren Anzahl ihrer Mitglieder (sogenannte Quorum) und nur mit Zweidrittel- mehrheit beschlossen werden kannunddaß siedurch sogenannte Notverordnungen^) nicht abgeändert werden dürfen. Die besondere staatsrechtliche Gestaltung Österreichs bringt es mit sich, daß zu gewissen Angelegenheiten der (formellen) Gesetzgebung die Zustimmung des Reichsrates, zu anderen die Zustimmung der Landtage erforderlich ist. Je nachdem das eine oder das andere der Fall ist, wird zwischen Reichs- und Landesgesetzen unterschieden. Wie die Grenzenzwischen beiden gezogen sind und welche politischenBestrebungen dabei mitspielen, ist schonimXVIIL Kapitel besprochen worden^). Auch aus den Landesgesetzen spricht der gleiche staatliche Wille wie aus den Reichsgesetzen. Der Unterschied liegt lediglich in dem ver- fassungsmäßigen Organe, dessen Zustimmung erforderlich ist. Auf den Gel- tungsbereich und die zur Durchführung berufenen Organe kommt es nicht an. Reichs- und Landesgesetze haben grundsätzlich gleiches Gewicht. Stehen sie irgendwie miteinander in Widerspruch, so bricht nicht etwa das Reichsrecht das Landesrecht, sondern das spätere Gesetz geht dem älteren vor. Manche An- gelegenlieiten werden teils durch Reichsgesetz, teils durch Landesgesetze geregelt. So wenn die Verfassung die Feststellung der Grundsätze der Reichsgesetzgebung zuweist, ihre Durchführung aber der Landesgesetzgebung überläßt. Oder wenn die zivil- und strafrechtliche Seite durch Reichsgesetz, die verwaltungsrechtliche durch Landesgesetz geregelt wird. In solchen Fällen können die reichsgesetzlichen Bestimmungen nur wirksam werden, wenn die ergänzenden landesgesetzlichen hinzukommen. Auch sonst kann die Wirksamkeit reichsgesetzlicher Anordnungen an den Beitritt der Landesgesetzgebung geknüpft werden. DasWort Reichsgesetz wird hierimmer auf den österreichischenStaatbezogen. Eine einheitliche Gesetzgebung für die österreichisch-ungarische Monarchie gibt es nicht, weil die Delegationen nicht zu materieller Gesetzgebung berufen sind*). Auch die gemeinsamen und die nach gemeinsamen Grundsätzen zu behandelnden Angelegenheiten können nur durch gleichlautende oder doch in ihren Grund- sätzen übereinstimmende Gesetze Österreichs und Ungarns geregelt werden. Ihr Inhalt muß entweder zwischen den beiderseitigen Ministerien oder durch Deputa- tionen der beiderseitigen Parlamente vereinbart werden^), bevor die betreffenden Vorlagen eingebracht werden können (paktierte Qesetze)^). ^) Welche dies sind, istim X. Kapitel auseinandergesetzt worden. Siehe S. 57. — -) Vergl. unten S. 142.— ') Vergl. oben S. 68 f .— *) Im §6 des Gesetzes über die gemeinsamenAngelegen- heiten wird dasWort Gesetzgebungsrecht nur im formellen Sinne gebraucht. — *) Für die Fest- stellung der „Quoten" ist der letztere Weg gesetzlich vorgeschrieben. Vergl. oben S. 64. — •) Vergl. oben S. 62.
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Österreichische Bürgerkunde
Titel
Österreichische Bürgerkunde
Autor
Heinrich Rauchberg
Verlag
Verlag von F. Tempsky
Ort
Wien
Datum
1911
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
16.4 x 24.0 cm
Seiten
278
Kategorien
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