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Österreichische Bürgerkunde
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154 XXXV. Strafrecht und Strafprozeß. schützenden Rechtsgüter. Aus Zweckmäßigkeitsgründen wird jedoch in dem österreichischen Strafgesetzbuch wie in allen anderen, die sich den französischen Code p^nal von 1810 zum Muster genommen haben, diese Einteilung durchkreuzt durchdieDreiteilung inVerbrechen,VergehenundÜbertretungen. Diese Einteilung beruht teils auf prozessualen, teils auf materiellen Unterschei- dungen. Auf prozessualen, indem über Übertretungen Einzelrichter bei den Bezirks- gerichten, überVerbrechenundVergehen kollegial besetzte Gerichtshöfe aburteilen, über die im Gesetze besonders bezeichneten sowie die mit schweren Strafen (mit Tod oder Kerker im Ausmaße von mehr als 5 Jahren) bedrohten Ver- brechen aber, ferner über alle politischen oder durch den Inhalt einer Druckschrift verübten Verbrechen und Vergehen die Geschworenen urteUen; auf materiellen, indem Verbrechen mit Tod oder Kerker, Vergehen und Übertretungen mit Arrest oder Geldstrafe bedi'oht sind, Verbrechen nur mit bösem Vorsatz begangen werden können, während es neben wesentlich dolosen Vergehen auch auf Fahrlässigkeit oder Ungehorsam gegen das Gesetz beruhende gibt. Von Belang ist auch die Unterscheidung zwischen „gemeinen" und politischen Delikten. Sie beruht auf der Einteilung der Verbrechen in solche gegen die Rechte der Individuen und gegen die Interessen der im Staate organisierten Gesamtheit, ohne sich mit ihr vöUig zu decken, und ist in mehrfacher Hinsicht von Belang, insbesondere hin- sichtlich der Zuständigkeit der Geschworenengerichte, der Art des Strafvollzugs und der Auslieferung ausländischer Verbrecher an ilire Heimatstaaten. Das österreichische allgemeine Strafgesetz trägt das Datum des27.Mai 1852, ist aber, wie das Kundmachungspatent zutreffend besagt, im wesentlichen nur ,,eine neue Ausgabe" des Strafgesetzes von 1803, das hin- wieder auf Vorarbeiten beruht, die bis in die Zeit Josefs IL zurückgehen. Es ist daher völlig veraltet, entspricht in vielen Punkten weder dem Rechtsempfinden der Gegenwart noch den Zielpunkten der modernen Ej-iminalpolitik und trägt den Gesichtspunkten des Verfassungs- und Rechtsstaates nicht genügend Rechnung. Zahlreiche Lücken sind im Laufe der Zeit dadurch entstanden, daß mit der fortschreitenden Kultur immer neue, des Rechtsschutzes bedürftige gesell- schaftliche Werte entstehen, anderseits aber auch die verbrecherischen Angriffe neue, von der alten Gesetzgebung nicht vorgesehene Formen annehmen. Dadurch sind zahlreiche neue Strafbestimmungen veranlaßt worden, die zum Teil in Ver- bindung mit der verwaltungs- und zivilrechtlichen Ordnung des gleichen Gegen- standes in den sogenannten strafrechtlichen Nebengesetzen enthalten sind, so z. B.über gewissePreßdelikteimPreßgesetze, über Verletzungen desVereins-und Versammlungsrechtes in dem Vereins- und Versammlungsgesetze. Es fehlt aber die Übersichtlichkeit und Einheitlichkeit; die neuen Gesetze sind zum Teil auf völlig anderen Grundlagen aufgebaut, wie das allgemeine Strafgesetz, mit ihm mitunter auch unvereinbar. Bei dieser Sachlage ist die Reform des Straf- gesetzes, das seinerzeit als ein Meisterwerk der Gesetzgebungskunst galt, unver- meidlich. Die Reformbestrebungen reichen weit zurück; mehrere Entwürfe haben zu keinem Ergebnisse geführt; nunmehr liegt ein neuer Entwurf der wissenschaftlichen Kritik vor^). Möge ihm ein besseres Geschick be- schieden sein! ^) Vergl. W. Graf G 1 e i s p a ch : Der österreichische Strafgesetzentwurf. Wien 1910.
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Österreichische Bürgerkunde
Titel
Österreichische Bürgerkunde
Autor
Heinrich Rauchberg
Verlag
Verlag von F. Tempsky
Ort
Wien
Datum
1911
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
16.4 x 24.0 cm
Seiten
278
Kategorien
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