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XXXVIII. Die auswärtigen Angelegenheiten. 165
tatsächliche Leitungderselben obliegtdem (gemeinsamen) k. u. k.M i n i s t e r i um
desÄußern. Der Verkehr mitdem Auslande spielt sich in den durch das Völker-
recht geregelten Formen entweder unmittelbar zwischen den auswärtigen Ämtern
der einzelnen Staaten ab, oder wird durch Agenten vermittelt, die kraft allge-
meiner oder besonderer Vollmacht ihren Staat ständig oder aus besonderen An-
lässen (z. B. bei diplomatischen Kongressen) vertreten. Die ständigen Agenten
zerfallen in zwei Gruppen; die einen, die Gesandten, besitzen ,,diplomatischen
Charakter"; sie vertreten den Staat in allen seinen völkerrechtlichen Beziehungen;
die anderen, die Konsuln, sind, von besonderen Aufträgen abgesehen, haupt-
sächlich zur "Wahrung wirtschaftspolitischer Interessen berufen.
Die Gesandten werden dem Range nach in Botschafter, Gesandte im
engeren Sinne, Ministerresidenten undGeschäftsträger eingeteilt^). Sie werdenbeim
Empfangsstaate beglaubigt und sind, um ihre Aufgaben ungehindert erfüllen zu
können, mit ihrem Personal vermöge der sogenannten Exterritorialität von dessen
Staatsgewalt befreit. Die Konsuln sind entweder Berufskonsuln (effektive
Konsulate) oder sogenannte Wahl- oder Honorarkonsuln; die letzteren besorgen
ihre Obliegenheiten ehrenamtlich, was jedoch eine Entschädigung hiefür nicht
ausschließt^). Wie eben erwähnt, haben die Konsuln die wirtschaftlichen Interessen
des Absendestaates und seiner Angehörigenwahrzunehmen und die letzteren sowie
die ihnen gleichgestellten Schutzgenossen im Empfangsstaate zu schützen und zu
fördern. Auch gewisse obrigkeitliche Befugnisse sind ihnen übertragen, so Akte
der freiwilligen Gerichtsbarkeit^) und die Handhabung der Seepolizei. In nicht
christlichen Ländern steht den Konsuln auch die Gerichtsbarkeit und die
Polizeigewalt über die Angehörigen des Absendestaates und die Schutzgenossen
zu. Solche Konsuln werden— im Gegensatze zu den auf die wirtschaftlichen
Interessen beschränkten Handelskonsuln — Jurisdiktionskonsuln genannt. Ihre
Stellungim Osmanischen Reiche beruht auf den sogenannten Kapitulationen. Die
Gerichtsbarkeit der österreichisch-ungarischen Konsularämter ist durch gleich-
lautende österreichische und ungarische Gesetze aus dem Jahre 1891 geregelt.
Das regelmäßige Mittel des Verkehrs mit dem Auslande sind Verhand-
lungen. Handelt es sich dabei um Gegenstände, an welchen mehrere Staaten
beteiligt sind und in denen das Einverständnis besser durch mündlichen Verkehr
erzielt wird, so werden je nach der Wichtigkeit des Anlasses Kongresse oder Kon-
ferenzen veranstaltet, auf welchen die beteiligten Staaten durch Bevollmächtigte
vertreten sind. So sind die Verhältnisse Europas nach den Wirren der napoleo-
^) Die Österreichisch-ungarische Monarchie unterhält gegenwärtig 32 diplomatische Ver-
tretungen, von welchen 10 mit Botschaftern, die übrigen mit Gesandten besetzt sind.
— *) Ende 1910 war die Konsularvertretung der Österreichisch-ungarischen Monarchie die
folgende
Berufskonsulate
/-ü'tt 1 4.- ^ v^i \ Honorarkonsulate
. (Effektive Amter)
Generalkonsulate 33 11
Konsulate 52 137
Vizekonsulate 12 102
Konsularägentien . 2 113
Zusammen .... 99 363
') Vergl. über den Begriff der freiwilligen Gerichtsbarkeit S. 151.
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Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918