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182 XLII. AllgemeineGesichtspunkte der Wirtschafts-und Sozialpolitik.
Die wirtschaftliche und soziale Verwaltung.
XLII. Allgemeine Gesichtspunkte derWirtschafts- und Sozialpolitik.
Die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung auf dem wirtschaftlichen Gebiete
hängenvon den Entwicklungsstufen derVolkswirtschaftundvondenAnschauungen
über den Beruf des Staates zur Ordnung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Verhältnisse ab. Hierüber müssen wir daher einen Überblick gewinnen, bevor wir
auf die einzelnen Zweige der ^virtschaftlichen und sozialen Verwaltung eingehen
können. Auch einige Bemerkungen über die Betriebs- und Unternehmungsformen,
die den verschiedenenZweigen derVolkswirtschaftgemeinsind, und über das gegen-
seitige Verhältnis dieser letzteren sind einzuschalten.
1. Die Entwicklungsstufen der Volkswirtschaft.
Die Entwicklungsstufen der Volkswirtschaft werden nach verschiedenen
Gesichtspunkten abgegrenzt. Zunächst darnach, ob das wirtschaftliche Dasein
hauptsächlich auf Jagd und Fischerei, auf Viehzucht oder Ackerbau beruht oder
auch Gewerbe- und Handelsbetrieb hinzugetreten und für die wirtschaftlichen,
rechtlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen maßgebend geworden sind^).
Nach den Formen und Bedingungen des wirtschaftlichen Verkehres wird ferner
zwischen Naturalwirtschaft (Tauschverkehr), Geldwirtschaft und Kreditwirtschaft
unterschieden. Unsere Betrachtung knüpft an eine andere Periodenbildung an,
welcher die Organisationsformen der Volkswirtschaft und ihr Verhältnis zur öffent-
lichenGewaltzugrundeliegen.DarnachwerdendiefolgendenPeriodenunterschieden
die geschlossene Hauswirtschaft, die örtlich gebundene Verkehrswirtschaft (Markt-,
Stadt-, Territorialwirtschaft), endlich die entwickelte moderne Volkswirtschaft,
deren Hauptmerkmale freier Verkehr und kapitalistische Warenproduktion sind^).
2. Die grundsätzliche Stellung des Staates zum wirtschaftliehen und gesellschaft-
lichen Leben.
Um die Aufgaben des Staates in der modernen Verkehrswirtschaft zu ver-
stehen, müssen wir uns daran erinnern, daß schon der absolute Fürstenstaat durch
seine „Polizei" in das Wirtschaftsleben eingegriffen hat,um es im staatlichen Inter-
esse auszubilden^). Seinen vielgeschäftigen Bemühungen trat die individualistische
Gesellschaftsauffassungentgegen, die durch die Naturrechtsphilosophie des 18. Jahr-
hunderts vorbereitet worden war^). Die ihr entsprechende „liberale" Wirt-
schaftspolitik erwartete das Wohl der Gesamtheit von dem ungehemmten
Walten der Privatinteressen^). Der Staat solle daher Eingriffe in das freie Spiel der
1) DieseEinteilung ist von Friedrich List in seinemWerke: ,,Das nationale System
der politischen Ökonomie" (1843) gemacht worden. Friedrich List hat das Schutzzollsystem
als ein Mittel zur Entwicklung der nationalen Produktivki-äfte wissenschaftlich begründet und
durch seine Anregungen viel zur Entstehung des deutschen Eisenbahnnetzes beigetragen.
— *) DieseUnterscheidung ist von Karl Bücher in seinem Buche: „Die Entstehung der
Volkswirtschaft", 7. Aufl., Tübingen 1909, begründet worden,- das als eine ebenso belehrende
wie anziehende Einführung in den volkswirtschaftlichen Gedankenkreis empfohlen wird.— *) Vergl.
oben S. 44. — *) Vergl. oben S. 21, Anm. 1, und S. 27, Anm. 6 und 7. — «) Den größten
Einfluß in dieser Richtung hat des Schotten Adam Smith Werk: „Inquiry into the nature
and the causes of the wealth of the nations" (Untersuchungen über die Natur und die Ursachen
des Volksreichturas) ausgeübt, das im Jahre 1776 erschienen ist.
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Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918