Seite - 231 - in Österreichische Bürgerkunde
Bild der Seite - 231 -
Text der Seite - 231 -
LI. Das StaMsschuldenwesen. 231
Weise sich das Nettoerträgnis der direkten Steuern^) und der Rohertrag der Ver-
zehrungssteuer im Jahre 1908 auf die einzelnen Länder verteilten, ist aus der
Tabelle 30 des Anhanges zu entnehmen.
LI. Das Staatsschuldenwesen.
Jeder wohlgeordnete Haushalt muß bestrebt sein, die Einnahmen mit den
Ausgaben in Einklang zu bringen und ein Defizit zu vermeiden. Im Staatshaus-
halte ist das nicht immer möglich. Ki-iege und kriegerische Rüstungen verschlingen
in kritischen Zeiten große Summen, die unmöglich den regelmäßigen Einnahmen
entnommen werden können, gleichwohl aber aufgebracht werden müssen, wenn
die Existenz oder wichtige Lebensinteressen des Staates auf dem Spiele stehen.
Wichtige Kultur- und Wohlfahitszwecke erfordern große Aufwendungen, an deren
Nutzen noch späte Geschlechter teilnehmen. Es wäre ungerecht und oft auch
unmöglich, nur die gegenwärtige Generation damit zu belasten; der Aufwand wird
durch eine Anleihe gedeckt, an deren Verzinsung auch unsere Nachkommen beteiligt
sein werden. Das ist unbedenklich, wenn nur durch die Verwendung der auf-
genommenen Gelder der volle Gegenwert geschaffen wird, sei es daß sie ein
privatwirtschaftliches Erträgnis liefern (wie z. B. beim Bau von Eisenbahnen)
oder die allgemeine Leistungsfähigkeit und daher auch die Steuerkraft erhöhen
(wie z. B. bei der Errichtung von Unterrichtsanstalten). Endlich entwickeln sich
infolge der steten Erweiterung der Staatsaufgaben und der öffentlichen Ver-
waltungstätigkeit die Staatsausgaben überhaupt rascher wie die Staatseinnahmen
und muß die Ausgleichung wenigstens vorübergehend durch den Staatskredit
bewirkt werden. Bei der unbegrenzten Lebensdauer des Staates ist er ein durchaus
gerechtfertigtes Mittel, um schon in der Gegenwart*die Bedingungen zukünftiger
Wohlfahrt zu erstellen, aber auch der Zukunft ihren Anteil an den dadurch be-
dingten Lasten zuzuschieben. Die gewaltigen Summen, welche die Staatsschuld
fast aller Kulturstaaten und so auch Österreichs erreicht^), haben daher nichts
Erschreckendes an sich. Es handelt sich nur darum, daß die Verwendung
der aufgenommenen Gelder zweckmäßig, die Gebarung einwandfrei sei und die
Zinsenlast im richtigen Verhältnisse zur Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft
stehe').Davon,daß dieseVoraussetzungen bei fastallenStaatender abendländischen
Kultur, und so insbesondere auch in Österreich und in Ungarn zutreffen, legt der
günstige Kursstand ihrer Schuldverschreibungen Zeugnis ab.
Eine wesentliche Voraussetzung für den Staatskredit ist die parlamen-
tarische Kontrolle der Finanzen und der Staatsschulden insbesondere.
Nach der österreichischen Verfassung unterliegt die Aufnahme neuer Anleihen,
die Konvertierung der bestehenden Staatsschulden ebenso ydc die Veräußerung,
Umwandlung und Belastung des unbeweglichen Staatsvermögens der Bewilligung
*) Das Reinerträ^is der einzelnen direkten Steuern im Jahre 1908 war das
folgende (in Millionen K): Grundsteuer 53-3, HausklassenSteuer 10-5, Hauszinssteuer 84-3, fünf-
prozentige Steuer von Neubauten 8-8, Summe der Realsteuern 157 Millionen; allgemeine En^erb-
steuer 36-1, Erwerbsteuer der zur öffentlichen Rechnungslegung verpflichteten Unternehmungen
6-68, Rentensteuer 10-1, Personaleinkommensteuer 69-3, Besoldungssteuer 3-1, Siunme der Per-
sonalsteuern 188-3 MiUionen. — ^) Vergl. die Tabelle 32 des Anhangs.— ') Vergl. L. Z e i 1 1 i n,
Der Staat als Schuldner. Tübingen 1906.
zurück zum
Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918