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Herkunft, Verwandtschaften: Vater: Ignaz Braun, k. u. k. Bahnbeamter (Eisenbahninge-
nieur); Mutter: Ida Neubrunn; 6 Brüder (darunter Heinrich: Begründer der „Sozialen Pra-
xis“ und des „Archivs für soziale Gesetzgebung“; Adolf: Redakteur des Berliner „Vorwärts“
und der Wiener „Arbeiter-Zeitung“).
E. B. verbrachte die ersten Jahre ihrer Kindheit in kleinen ungarischen Dörfern. Sie wur-
de sehr streng erzogen. Durch den Brückenbau im Prater kam die Familie um 1860 nach
Wien, wo sie zunächst in der Leopoldstadt und später am Schwarzenbergplatz wohnte. Sie
stand zeitlebens im Schatten ihrer Brüder Heinrich und Adolf und wurde von diesen zwar
umsorgt und verwöhnt, doch auch oft bevormundet. Der ältere Bruder – Heinrich – fühlte
sich sogar für die Wahl ihres Ehemannes verantwortlich. Seine Favoriten waren Friedrich
Nietzsche und Victor Adler. Als Ende des vorigen Jahrhunderts schwere Unglücksfälle ihre
Familie trafen, half ihr Victor Adler wieder aus der Krise. Sie unterstützte ihren Mann poli-
tisch und widmete sich nach dessen Tod seinem Andenken.
LebenspartnerInnen, Kinder: 1878 Heirat mit Victor Adler (1852–1918), 1888/89 Gründer
der Sozialdemokratischen Partei Österreichs, zog mit ihm in das Palais seines Vaters. Drei
Kinder: Tochter Marie, genannt Mucki, musste 1897 in eine Nervenheilanstalt gebracht
werden (1881 bis um 1930); Friedrich Adler (1879 –1960), Physiker, Sekretär der Sozia-
listischen Internationale, erschoss 1916 den Ministerpräsidenten Graf Stürgkh, zum Tode
verurteilt, begnadigt, 1918 amnestiert (E. A.: „Ich bin nie darüber hinweggekommen, dass
mein Sohn einen anderen Menschen getötet hat“); Karl (* 1885).
Ausbildungen: E. B. wurde von Hauslehrern und einer französischen Gouvernante in Spra-
chen, Musik und Literatur unterrichtet.
Laufbahn: Victor Adlers publizistische Tätigkeit, sowie das engagierte Eintreten der bei-
den für politisch Verfolgte endete schließlich in finanziellen Streitigkeiten mit seiner Fa-
milie; sie waren innerhalb kürzester Zeit gezwungen, in eine kleine Wohnung zu ziehen.
E. B. trat ab 1886 aktiv für die Sozialdemokratische Partei ein, lehrte im Arbeiterbildungs-
verein Gumpendorf Englisch und Französisch. Sie nannte sich später „Gefühlssozialistin“.
Beherrschte auch Ungarisch, Italienisch und Russisch, übersetzte aus dem Französischen.
Viele ihrer Übersetzungen sind in Zeitungen erschienen, unter anderem in der „Gleich-
heit“ und in der „Arbeiter-Zeitung“. Sie wurde 1890 nach schweren finanziellen Verlus-
ten psychisch krank und musste sich in verschiedenen Sanatorien erholen. Von 1909 bis
1917 hatte E. A. die Redaktion der Jugendbeilage der „Arbeiterinnen-Zeitung“ inne. Als
Schriftstellerin wurde sie mit ihrem 1906 erschienenen Buch „Die berühmten Frauen der
Französischen Revolution“ bekannt und leistete Pionierarbeit für die Frauengeschichte.
Auch im Bereich der Kinderliteratur beschritt E. A. neue Wege. Sie übersetzte sozialkri-
tische Literatur aus vier Sprachen. Nach dem Tod ihres Mannes versuchte sie mehrmals
sich das Leben zu nehmen und wurde in Pflegeanstalten untergebracht. Sie lebte ab 1926
(a. A. 1925, nach dem Tod ihres Gatten) bei ihrem Sohn Friedrich in der Schweiz und
war weiterhin als Schriftstellerin und Übersetzerin tätig. Sie begann 1929/30 ihre Erin-
nerungen niederzuschreiben, denen sie zunächst den Titel „Selbstbiographie“ und später
„Verfehltes Dasein“ gab.
Qu.: Tagblattarchiv/AK (Personenmappe); Adler-Archiv, VGA Wien, International Institu-
te of Social History, Amsterdam.
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Band 1, A – H
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- biografiA.
- Untertitel
- Lexikon österreichischer Frauen
- Band
- 1, A – H
- Herausgeber
- Ilse Korotin
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1422
- Kategorie
- Lexika