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durch ein Fenster mit der Außenwelt verbunden, als auch das einer „conversa“, einer im spä-
teren Leben als Witwe ins Kloster eingetretenen Nonne denkbar (Küsters 1985).
Joseph Diemer (Diemer 1849) ist es zu verdanken, dass A. und ihre Dichtungen bekannt
wurden. Er hat auch A. in Verbindung zu Göttweig gebracht, indem er einen von A.s Söh-
nen mit dem ersten Abt von Göttweig, Hartmann (amt. 1094–1114) identifizierte, was al-
lerdings jedweder Quellengrundlage entbehrt. In Göttweig ist eine romantische Traditi-
on aus dem 19. Jahrhundert lebendig, verbunden mit dem sogenannten Ava-Haus in 3511
Kleinwien, Avastraße 7, und dem sogenannten Ava-Turm im Tal des Fladnitzbaches, das
den Westabhang des Göttweiger Berges vom Dunkelsteiner Wald trennt. In dem mehrfach
umgebauten Turm aus Stein soll Frau A. am 7. Februar 1127 gestorben sein.
W.: A. ist die Autorin von vier (fünf) epischen Gedichten: „Johannes“, „Leben Jesu“, („Die
Sieben Gaben des Heiligen Geistes“), „Antichrist“ und „Das Jüngste Gericht“ (Textaus-
gaben: Maurer 1966; Schacks, 1986). „Die Sieben Gaben des Heiligen Geistes“ bildet den
abschließenden Teil vom „Leben Jesu“ und wird vereinzelt als eigenes Gedicht ausgewiesen.
Diese Gedichte spannen einen heilsgeschichtlichen Bogen von der Ankündigung des Er-
lösers durch Johannes den Täufer bis zum Jüngsten Gericht; Stoffauswahl und Anordnung
beziehen sich auf die Perikopenfolge des Kirchenjahres. Am Schluss des Gedichtes „Jüngs-
tes Gericht“ durchbricht sie das für das Mittelalter übliche Stillschweigen zur Person des
Autors, der Autorin mit dem Hinweis: „Dieses Buch dichtete die Mutter zweier Kinder
[ … ] das ist Ava“. A.s Werke sind in zwei Handschriften überliefert: Vorau, Stiftsbibliothek,
Codex 276, eine Sammelhandschrift geistlicher und weltlicher Dichtungen aus der zweiten
Hälfte des 12. Jahrhunderts (ohne „Johannes“) fol. 115v-fol. 125r und Görlitz, Bibliothek
der „Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaft in Görlitz“ Codex A III. 1. 10, eine
Bilderhandschrift aus dem 14. Jahrhundert (ohne die Schlussverse des „Jüngsten Gerichts“
mit der Namensnennung der Dichterin), die Handschrift gilt seit dem 1. Weltkrieg als ver-
schollen.
Die Erinnerung an die erste bekannte deutschsprachige Dichterin wird von der Frau Ava-
Gesellschaft für Literatur mit Sitz in Paudorf bei Göttweig durch die Stiftung eines Frau Ava-
Literaturpreises für Autorinnen wachgehalten. Der Preis wurde erstmals 2003 im Zwei-Jah-
res-Rhythmus vergeben. Die Einladung zur Bewerbung richtet sich an Schriftstellerinnen, die
sich auf neuartige und innovative Weise in Sprache und Form mit Themen im Spannungs-
bogen von Spiritualität, Religion und Politik auseinandersetzen und bereits mindestens ein
Werk in einem Verlag veröffentlicht haben. Präsentiert wird der Frau-Ava Literaturpreis in der
Sankt Blasien-Kirche von Kleinwien. Für den Preis hat der Paudorfer Bildhauer Leo Pfisterer
eine Statuette „Frau Ava“ gestaltet.
Mit dem historischen Roman „Frau Ava“, Wien 2002 hat die Wiener Kinder- und Jugend-
buchautorin Lene Mayer-Skumanz, der Dichterin ein literarisches Denkmal gesetzt.
L.: Bjørnskau 2000, Diemer 1985, Hutz 2000, Kugler 2001, Küsters 1985, Maurer 1966,
Papp 1978, Schacks 1986, Schulze 1980, Stein 1976
Ingrid Roitner
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Band 1, A – H
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- biografiA.
- Untertitel
- Lexikon österreichischer Frauen
- Band
- 1, A – H
- Herausgeber
- Ilse Korotin
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1422
- Kategorie
- Lexika