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burg-Amerika-Schiffslinie HAPAG ließen sich Werbe-Gesamtkonzepte von L. & R. Baitz
erstellen. Das Unternehmen wurde partnerschaftlich von L. B. und Roman Baitz geführt. L. B.
war der künstlerische „Kopf“, Roman der kaufmännischer Leiter. Mit großem Gespür für
den Zeitgeschmack und aktuelle Trends trafen ihre Produkte genau die Bedürfnisse der sich
entwicklenden anspruchsvollen Konsumgesellschaft Anfang des 20. Jahrhunderts.
Nach dem Ersten Weltkrieg kam es mit der Gründung eines österreichischen Standortes
in Salzburg/Parsch zu einem neuen Aufschwung des Ateliers. Die Herstellung von Krip-
pen – im kleinen wie im großen Maßstab, gewann in der Salzburger Zeit zunehmend an
Bedeutung – das Ehepaar Baitz konnte sich in dieser Zeit wieder eine finanzielle Basis
schaffen, die L. B. später ihren Lebensabend sichern sollte. Nach dem Tod von Roman Baitz
1930 entschied sie sich mit 56 Jahren den Standort Salzburg aufzugeben, die Geschäftsleitung
in Berlin vertrauten MitarbeiterInnen zu überlassen und selbst an ihren Kindheitsort Bad
Aussee zurückzukehren. Sie baute sich dort ein Landhaus, das so genannte „Sonnenhäusl“
und bezog es gemeinsam mit ihrer engsten Freundin und Wegbegleiterin, der Ausseerin Paula
Schmidl. Dort widmeten sich beide ihrem lebenslangen Interesse – dem Brauchtum und
dessen Wiederbelebung in Form von künstlerisch gestalteten Trachtenpuppen und Krippen.
Trotz der schrittweisen Arisierung des Berliner Ateliers bis 1938, konnten die Geschäftsleiter
(Gudrun Schemell und Paul Friedel) in der Firma bleiben und L. B. war von Österreich aus
im Hintergrund weiter der kreative Kopf des Ateliers. Absurderweise entdeckte gerade die
„Reichsbahnzentrale für den Deutschen Reiseverkehr“ die Propaganda-Wirksamkeit der
Baitz-Produkte und deklariert das Atelier als kriegswichtigen Betrieb.
Ab 1938 war L. B. aber auch in Bad Aussee zunehmend der nationalsozialistischen Diskri-
minierung und Verfolgung ausgesetzt. Jahrelang versuchte Paula Schmidl mit allen Kräf-
ten Aufschübe der Enteignung und Deportation zu erreichen. Letztendlich konnte sie ihre
Freundin aber nicht mehr schützen. Am Vorabend der endgültigen Deportation nahm sich
L. B. am 14. August 1942 in ihrem Haus in Aussee das Leben.
Nach einer Neugründung des Ateliers 1946 durch Gudrun Schemell, Paul Friedel und Paula
Schmidl, wurde das „Kunststgewerbeatelier Baitz Nachfolger“ in den 1950er und 60er Jah-
ren mit der so genannten Baitz-Puppe, einer kleinen Souveniertrachtenpuppe, sehr erfolg-
reich und international bekannt.
Mit seinen innovativen Werbekonzepten und Produkten ist L. & R. Baitz ein interessanter
Teil der deutschen und österreichischen Wirtschaftsgeschichte. L. B. kann auch als eine
Trägerin der österreichischen Trachtenbewegung der Zwischenkriegszeit gesehen werden,
deren Ziel die wissenschaftlich fundierte Erneuerung alten Brauchtums war.
Ausstellungen: „Baitz: Zwischen Fantasie und Repräsentation“, Sonderausstellung Vorarl-
berger Landesmuseum (VLM) 2005; Kuratorin: Gerda Leipold-Schneider. „Lilli Baitz:
Leben und Werk einer Puppenkünstlerin“, Sonderausstellung Kammerhofmuseum Bad
Aussee, 2010; Kuratorin Teil „Lilli Baitz
– Lebensbild einer Heimkehrerin“: Barbara Motter.
Qu.: Nachlass Paula Schmidl, Privatbesitz, Nachlass Gudrun Schemell, Jüdisches Museum
Hohenems, Nachlass der Firmen L. & R. Baitz und L. & R. Baitz Nachfolger, Puppenmu-
seum Blons, Kammerhofmuseum Bad Aussee, Baitz-Puppen-Sammlung, Puppenmuseum
Blons, Großes Walsertal.
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Band 1, A – H
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- biografiA.
- Untertitel
- Lexikon österreichischer Frauen
- Band
- 1, A – H
- Herausgeber
- Ilse Korotin
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1422
- Kategorie
- Lexika