Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Lexika
biografiA. - Lexikon österreichischer Frauen, Band 1, A – H
Seite - 325 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 325 - in biografiA. - Lexikon österreichischer Frauen, Band 1, A – H

Bild der Seite - 325 -

Bild der Seite - 325 - in biografiA. - Lexikon österreichischer Frauen, Band 1, A – H

Text der Seite - 325 -

Björkman-Goldschmidt | B 325 Die Baracken sind eineinhalb bis zwei Meter in die Erde eingegraben und mit Schneewällen umgeben, um sie gegen die grimmigste Kälte zu schützen, die 50 und 60 Grad erreicht. [ … ]. Fast alle Lager sind überbelegt, dazu verlaust und verwanzt. Bisweilen ist die Flohplage un- vorstellbar, und Ratten und Mäuse treten in Scharen auf“ (Juhl 1962, 67). Von 1919 bis 1923 arbeitete B. für die schwedische Hilfsorganisation „Rädda barnen“ (Rettet das Kind) in Wien. 1921 heiratete sie Dr. Waldemar Goldschmidt, Arzt am Wiener Roth- schild-Spital, den sie als Kriegsgefangenen in Sibirien kennengelernt hatte. Das Ehepaar ver- kehrte in den Salons von Eugenie Schwarzwald und Bertha Zuckerkandl (Schreiber 2008, 273). Die 1919 gegründete Organisation „Rädda barnen“ kooperierte mit dem schwedischen Ro- ten Kreuz, aber auch mit bestehenden österreichischen Wohlfahrtseinrichtungen  – von der Caritas über das Schwarzwald’sche Wohlfahrtswerk bis zum sozialdemokratischen Wie- deraufbauprogramm der Gemeinde Wien (Schreiber 2008, 276). Kleider, Säuglingspakete, Lebensmittel wurden zur Verfügung gestellt; außerdem wurden medizinische Programme gestartet. Bei Untersuchungen im „Kriegskinderbüro“ wurden Kinder für Erholungsaufent- halte in Schweden ausgewählt. In ihren Erinnerungen schildert B. auf humorvolle Weise, wie sie von den Wienerinnen und Wienern aufgenommen wurden und wie sie die Hilfs- dienste anlegen wollten: „Bevor wir unsere Arbeit begannen, überlegten wir, welche Art der Verteilung für die Empfänger leichter anzunehmen und weniger erniedrigend war. Wir entschlossen uns, dies so unpersönlich wie möglich zu handhaben. Jeder, der sich nach un- seren Untersuchungen und Recherchen als bedürftig erwies, sollte ein Papier erhalten, das den Berechtigten  – ohne nochmalige Erklärungen über seine Hilfsbedürftigkeit  – zum Be- zug der angeführten Waren bevollmächtigte. So etwas wie eine Art Geschenkkarte sollte zweifellos die erträglichste Lösung für die Empfänger sein. Das war ein großer Irrtum. Die Wiener wollen über ihre Probleme sprechen. Sie lieben es, all das Unfassbare, das ihnen geschehen ist, ausführlich auszubreiten“ (Schreiber 2007, 32–33). Noch heute erinnern übrigens die nach dem 1. Weltkrieg geschaffenen Bezeichnungen „Schwedenbrücke“ und „Schwedenplatz“ an das große soziale Engagement der schwedi- schen Bevölkerung in Österreich (Schreiber 2008, 284). 1923 wurde die offizielle Hilfsakti- on beendet. B. arbeitete danach als schwedische Auslandskorrespondentin, zum Beispiel für „Dagens Nyheter“, unter dem wienerisch angehauchten Pseudonym „Mélange“. 1938 erlebte B. den „Anschluss“ und den Beginn des Naziterrors: „Die kleine Liesel (von Z.), die in eine Klosterschule ging, erlebte in diesen Tagen ihren ersten Glaubenskampf. ‚Mama, ich glaube Gott ist Nazi‘, brach es plötzlich zum Erstaunen der Familie aus ihr heraus. ‚Warum hat er es denn nicht einfach regnen lassen, als Hitler einzog. Das hätte er doch machen können, Papa‘, rief sie und brach in Tränen aus. [ … ] Ingenieur Fritz S., von dem man sagte, dass er geniale Karikaturen zeichnete, aber zu gutmütig war, sie herzuzeigen, war weggeschafft worden. Später hörten wir, seine Witwe hatte für achtzehn Mark und eine Quittung seine Urne erhalten.“ (Schreiber 2007, 226) Immer mehr Personen aus dem Freundes- und Kollegenkreis wurden verhaftet, begingen Selbstmord oder waren plötzlich „verschwunden“. Wenig später bekam das Ehepaar Björk- man-Goldschmidt dank der Fürsprache des schwedischen Gesandten einen Passierschein und konnte Wien rechtzeitig verlassen. Im Winter 1945/46 kehrte B. aus Schweden für „Rettet das Kind“ nach Wien zurück und verbrachte hier auch die folgenden Winter bis
zurück zum  Buch biografiA. - Lexikon österreichischer Frauen, Band 1, A – H"
biografiA. Lexikon österreichischer Frauen, Band 1, A – H
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
biografiA.
Untertitel
Lexikon österreichischer Frauen
Band
1, A – H
Herausgeber
Ilse Korotin
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79590-2
Abmessungen
17.4 x 24.5 cm
Seiten
1422
Kategorie
Lexika
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
biografiA.