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Bley-Lehmann | B 345
Bley-Lehmann Maria, Maria Franziska Lehmann, Bley, Bley-Lehmann; Ärztin
Geb. Offenburg, Deutschland, 2. 1. 1867
Gest. 8. 11. 1943
M. F. L. wird am 2. Jänner 1867 als jüngstes von acht Kindern in eine Offenburger Hand-
werkerfamilie geboren. Ihr Vater Roman Lehmann (1824–1893) ist Gerbereibesitzer und
Gemeinderat. Ihre Mutter ist Karolina Lehmann, geborene Fuchs (1826 –1909). Die Fami-
lie ist streng katholisch. Vom Dezember 1874 bis März 1881 ist M. L. interne Schülerin im
Kloster „Unserer Lieben Frau“ in Offenburg.
In ihrem langen Kampf um die Einwilligung zum Studium unterstützt sie ihr älterer Bruder
Carl. Als Medizinstudentin in Zürich ab dem SS 1891 gehörte sie zu den europaweiten
Pionierinnen an Universitäten. Ihre frauenemanzipatorisch-„radikale“ Haltung drückt M. L.
durch ihr modern kurz geschnittenes Haar und ihr sporadisches Rauchen aus. In der Lima-
stadt, wo viele lesbische und heterosexuelle Studentinnen leben, findet sie rasch Anschluss.
Die Schriftstellerin Ilse Frapan (1849 –1908), die erste Schweizer Juristin, Emilie Kem-
pin-Spyri (1853 –1901), und die Frauenrechtskämpferin Käthe Schirmacher (1865–1935)
kennt sie persönlich. Mit Anna Eysoldt, verh. Aebi (1868 –1912), der späteren Lebensge-
fährtin der Bonner Schriftstellerin Johanna Elberskirchen (1864–1934) ist sie befreundet,
ebenso mit Anita Augspurg (1857–1943) und Frida Bebel, verh. Simon (1869 –1948). An-
fang der 90er Jahre tritt sie in den vom Psychiatrieprofessor Auguste Forel (1848–1931)
gegründeten „Verein zur Bekämpfung des Alkoholgenusses“ ein und nimmt darin eine nicht
unbedeutende Stellung ein. Wenig später kommt Franz Blei (1871–1942) zur Gruppe hin-
zu. Er, der zwanzigjährige Student der Nationalökonomie und sie, die „aparte Schönheit“,
werden ein Paar. Sie verstoßen gegen alle gesellschaftlichen Regeln und ziehen zusammen.
Drei Monate nach Bleis Promotion an der Universität Bern heiraten sie im Juni 1894. Mit
der Heirat bricht Maria Bley ihr Studium ab. Im März 1897 kommt ihre Tochter, Maria
Eva Sibylla zur Welt.
Im Herbst 1898 übersiedelt M. B. mit ihrem Mann und der 18 Monate alten „Billy“ nach
Philadelphia, um dort ihren Abschluss zur Zahnärztin nachzuholen. Im Sommer 1900 ver-
lässt sie als „Doctor of Dental Surgery“ Amerika. Im Herbst 1900 lässt sich die Familie Blei
in München nieder, wo M. Bs. Bruder, Dr.med. Carl Lehmann (1865 –1915), gemeinsam mit
seiner aus England stammenden, 1880 in Bern promovierten Frau, Dr.med. Hope Bridges
Adams (1855–1916), eine Arztpraxis unterhält. Auch M. B. eröffnet 1901 eine Zahnarztpra-
xis und finanziert mit ihrem gut besuchten „Atelier“ den Lebensunterhalt ihrer Familie.
Das Haus in der Gabelsbergerstraße 20a (heute Nr. 46), in dem das Ehepaar Lehmann-Adams
Wohnung und Praxis hat, ist zugleich politisch revolutionärer Salon und Treffpunkt der
Sozia
listen. Hier verkehren neben August Bebel und Clara Zetkin zahlreiche russische
EmigrantInnen. Zu den prominentesten zählen Wladimir I. Lenin und Nadeshda Krupskaja.
M. B. dürfte an den Treffen regen Anteil genommen haben. Von Lenin wird sie als Kontakt-
person für den „Petersburger Kampfbund für die Befreiung der Arbeiterklasse“ genannt. Das
Ehepaar Blei pflegt in München nachweislich auch Kontakt mit den Frauen
rechtlerinnen Ika
Freudenberg, Sophia Goudstikker und Helene Stöcker, der späteren Gründerin des „Bundes
für Mutterschutz“, und dem Kreis um die Literaturzeitschrift „Die Insel“, wozu Otto Julius
und Gemma Bierbaum zählen. Später freunden sie sich mit Martha und Robert Musil an.
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Band 1, A – H
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- biografiA.
- Untertitel
- Lexikon österreichischer Frauen
- Band
- 1, A – H
- Herausgeber
- Ilse Korotin
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1422
- Kategorie
- Lexika