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eine Frau alleine einen Stein setzen ließ, noch ungewöhnlicher ist es aber, wenn sie es nicht
für ein Familienmitglied, sondern für Freunde tut. In dieser Inschrift ist mit Sicherheit ein
Grabstein zu sehen, der wohl als oberflächliche Markierung für einen kleinen ummauerten
Grabbezirk, sehr ähnlich unseren heutigen Gräbern, aufgestellt wurde. Es ist anzunehmen,
dass das Ehepaar zum Zeitpunkt der Steinsetzung schon verstorben war, denn der sonst
übliche Zusatz „vivi“, also „zu Lebzeiten“ fehlt hier. Dieser Zusatz bei der Grabsteinsetzung
war aber notwendig, um die Unterweltsgeister nicht herauszufordern und zu verärgern und
dadurch zu riskieren, dass sie die genannten Personen noch vor ihrer Zeit holten. Leider
fehlt aber im Gegenzug dazu der sonst übliche Zusatz „H S S“, aufgelöst zu „hic siti sunt“,
also „liegen hier begraben“, sowie die Angabe der Sterbealter. Immerhin möglich ist, dass
C. das genaue Alter ihrer Freunde gar nicht kannte, oder sie diesen Zusatz schlichtweg als
unnötig erachtete. Vielfach kannten aber die Menschen der Antike selbst nicht ihr genaues
Alter, weshalb auf Grabinschriften meist gerundete Zahlen vorkommen. Die Inschrift zeigt
aber, wie sehr C. ihren beiden Freunden Titus Flavius Natalis und Domitia Eucta verbunden
war, denn der Grabstein ist aus Marmor gefertigt und sehr sauber gemeißelt, was die hohe
Qualität und den damit zusammenhängenden sicherlich hohen Preis verrät. Wer C. war,
warum sie über ein einigermaßen großes Vermögen verfügte und aus welchem Anlass sie für
ihre Freunde diesen Grabstein setzen ließ – waren diese gestorben, bevor sie sich selbst um
ein Grab kümmern konnten oder waren sie vielleicht zu arm, um sich einen Grabstein leisten
zu können? – ist leider nicht bekannt. Auch über Familienangehörige – einen Mann und
eventuelle Kinder
– wissen wir nichts. Ihr Name ist zu wenig auffällig, um sie eindeutig einer
Nationalität zuzuschreiben, wenngleich eine lokale Herkunft durchaus möglich ist. So sagt
denn auch die Tatsache, dass sie nicht ihr Patronymikon
– also den Namen ihres Vaters
– als
Herkunftsangabe angibt, sondern den ihrer Mutter, Cleonice, viel über ihr Selbstbewusstsein
aus, was wiederum durchaus für eine einheimisch-keltische Frau sprechen würde. Über das
römische Bürgerrecht verfügte sie anscheinend nicht. Dagegen zeigen aber die zwei- bzw.
dreigliedrigen Namen ihrer beiden Freunde, dass diese sehr wohl im Besitz des römischen
Bürgerrechts waren. So erhielt es Titus Flavius Natalis oder einer seiner Vorfahren seinem
Gentilnamen, also seinem „Familiennamen“ nach, spätestens unter dem Kaiser Vespasian
(mit vollem Namen Titus Flavius Vespasianus), d. h. Ende des 1. Jhs. n. Chr., während dies
für Domitia Eucta zeitlich nicht bestimmt werden kann. Auch woher die beiden stammten,
ist leider durch ihre wenig auffälligen Namen, letztendlich nicht zu klären.
Qu.: Grabinschrift gefunden in Sankt Georgen am Längsee, heute ebendort.
L.: CIL III 4913 = 11515; ILLPRON 433; lupa Nr. 2367
Marita Holzner
Caia
Geb. ca. Mitte 1. Jh. n. Chr.
Geograph. Lebensmittelpunkt: Radelsdorf, Gem. Liebenfels (römische Provinz Noricum).
LebenspartnerInnen, Kinder: Ehemaliger Besitzer: Quartus.
Qu.: Römischer Weihaltar, gefunden 1959 beim Bau einer Wasserleitung in Radelsdorf,
Gem. Liebenfels, heute im Depot des Landesmuseums in Klagenfurt. Diesen Altar weiht
C., deren Namen zu Caiia verschrieben wurde und die eine ehemalige Sklavin eines ge-
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Lexikon österreichischer Frauen, Band 1, A – H
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- Titel
- biografiA.
- Untertitel
- Lexikon österreichischer Frauen
- Band
- 1, A – H
- Herausgeber
- Ilse Korotin
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1422
- Kategorie
- Lexika