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Das Testament liegt in zwei Fassungen vom 31. 3. 1809 und vom 7./19. 2. 1810 vor. Die ers-
te Fassung hatte J. D. gemäß Art. 969 f. des damals höchst aktuellen Code Napoleon [„écrit
en entier, daté et signé de la main du testateur“] in hebräischer Sprache „ganz eigenhändig
geschrieben“, möglicherweise aber nur in Jiddisch in hebräischer Schrift; das Original ist ver-
schollen, es liegt heute nur mehr eine Translation vor. Die zweite Fassung schien wohl deshalb
geboten, weil der Code Napoleon in Bayern kein geltendes Recht war und J. D. daher verlang-
te, dass der Rabbiner Ullmann und der Lehrer Lazar Levi ihr am Krankenbett ein in jeder
Hinsicht vollgültiges Testament erstellen sollten. J. D. mahnte ihre Kinder, nicht „neumodisch“
zu sein; sie war bemüht, eine größtmögliche Gerechtigkeit zu erreichen und forderte ihre
Kinder auf „seyd gut und einig miteinander“. Benachteiligte die erste Fassung des Testaments
noch die Töchter, die nur einen halben Sohnesanteil bekommen sollten, so stellte die zweite
Fassung die Töchter Beß und Rosa mit den Söhnen gleich, weil diese „in ihrer Krankheit sie
so gut verpflegt und in all Erfordernissen ihr sorgfältig gewartet haben“. Zugleich hatte J. D.
auch soziale Anliegen, indem sie ihre Kinder verpflichtete, 2.000 Gulden aus der Erbschaft
auszusondern, um sie ihren „Freunden“ (Verwandten) zukommen zu lassen. Sie stellte den
Kindern anheim, auf der Grabstätte 40 Gulden an die Armen der Gemeinde zu geben. „Dan
ihr werdet wissen, daß meine Seele sich freuet, wenn ihr Gutes thut, nach euer Vermögen“.
Auch an die christlichen Armen sollte ein Quantum Getreide ausgeteilt werden. Besonde-
ren Wert legte J. D. darauf, dass auch alle Enkel ein Andenken an ihre Großmutter erhalten
sollten. Daniel Joseph Hirsch Levi (Hirschfeld), Sohn der Tochter Rosa, geb. ca. 1801, sollte
ein Salzbüchslein und ein Beschneidungsbüchslein sowie ein silbernes Messer und eine Gabel
erhalten; Joseph Simon Lazar (Löwenberg), geb. 1803, ein Paar rote Ohrgehänge; Wolf Beer
(Wilhelm) Joseph Lazar (Löwenberg), geb. 1804, ein silbernes Messer und eine Gabel. In die-
sem Sinne setzte sie auch ihren Geschwistern und deren Kindern Legate aus, einen doppelten
Dukaten ihrem Schwestersohn Abraham Isaac in Baisingen (Stadtteil von Rottenburg am
Neckar, Lkr. Tübingen, Baden-Württemberg), je einen Dukaten ihrer Schwester Simcha Isaac
und ihrer Schwester Vögel verh. Mayer in Prenzlau (Lkr. Uckermark, Brandenburg).
J. D. fand ihre letzte Ruhestätte im oberen (ältesten) Teil des jüdischen Friedhofs in Hohen-
ems in der Grabstätte Nr. 31. Sie ordnete an, dass das Jahrlicht für sie nicht zwölf Monate,
sondern nur einen Monat brennen sollte; die dabei ersparten 40 Gulden sollten an die Ar-
men der Gemeinde ausgeteilt werden. Den Kindern legte sie noch ans Herz: „Versäumet das
Seelengebet nicht“.
Obwohl die 1617 gegründete jüdische Gemeinde Hohenems schon immer rege Kontakte
zu Gemeinden außerhalb des Landes hatte, wirkte sich die enge Verbindung über J. D. zu
Frankfurt positiv aus. 1809 gewährte Frankfurt den Hohenemser Juden ein Darlehen von
4.000 Gulden. Nicht nur J. D. stammte aus Frankfurt, auch ihr ältester Sohn Joseph heiratete
mit Emilie Goldschmidt eine Frankfurterin. J. D. erscheint um 1800 als die Grande Dame der
Hohenemser Gesellschaft, die im 19. Jahrhundert einen wesentlichen Beitrag zur gegensei-
tigen Annäherung der christlichen und der jüdischen Gemeinde erbracht hat. Das Rabbinat
Hohenems umfasste in dieser Zeit sämtliche Juden in Vorarlberg und Tirol einschließlich
Südtirol, namentlich die im späten 19. Jahrhundert zahlenmäßig herausragenden Gemein-
den in Bozen und Meran. J. D. und die Hoffaktoren Lazar Joseph Levi mit seinen Brüdern
und deren Nachkommen haben Hohenems Glanzlichter aufgesetzt, wie sie heute noch im
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Band 1, A – H
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- biografiA.
- Untertitel
- Lexikon österreichischer Frauen
- Band
- 1, A – H
- Herausgeber
- Ilse Korotin
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1422
- Kategorie
- Lexika