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Höllersberger | H 1353
tern ihre Wohnung und taucht bei einer bekannten Familie im Eisenerzer Münichtal unter.
Die SA suchte sie schließlich auch in ihrem Versteck. Dank der beherzten Reaktion des
Hausherrn, der sie verleugnet, gibt es für sie noch keine Konsequenzen. Während des Krie-
ges arbeitet P. H. am Erzberg in der Klaubanlage, wo sie mit einer ausländischen Zwangs-
arbeiterin in Kontakt kommt. Der dadurch entstehende Briefkontakt mit der Frau und eine
Hausdurchsuchung, bei der man Bibeln findet, führen schließlich zur Verhaftung P. H.s am
1. September 1944. Zunächst wird sie in Leoben inhaftiert, wo sie durch das Unterschreiben
der sogenannten „Verpflichtungserklärung“ ihrem Glauben abschwören soll, um freigelas-
sen zu werden. Da sie verweigert, wird sie ins Grazer Polizeigefängnis überstellt. Noch im
September 1944 wird sie in einem Viehtransport angeblich zunächst ins KZ Auschwitz
und am 4. Oktober 1944 ins KZ Ravensbrück gebracht. Ihre Familie erfährt erst etwa drei
Monate später durch eine Ansichtskarte vom 20. November 1944 von ihrem Aufenthaltsort
im KZ Ravensbrück. Nach einiger Zeit wird sie so wie einige andere Zeuginnen Jehovas als
Kindermädchen und Haushaltshilfe in einer kinderreichen SS-Familie eingesetzt. Der SS-
Mann besteht auf einer Zeugin Jehovas, da sich diese Häftlinge als ehrlich, zuverlässig und
nicht rachsüchtig erwiesen haben. P. H. muss hart arbeiten, um den Haushalt und die neun
Kinder zu versorgen. Jeden Abend marschiert sie zum Schlafen wieder zurück ins KZ. Als
sich die Situation in Deutschland immer mehr verschlechtert, bringt der SS-Mann seine
Familie samt P. H. nach Weihnachten 1944 in die Tschechoslowakei, wo die wirtschaftlichen
Verhältnisse noch besser sind. Irgendwann erfährt P. H. dann zufällig, dass der Krieg zu
Ende ist. Sofort macht sie sich auf die Wanderschaft Richtung Eisenerz (aus diesem Grund
existieren auch keine Entlassungspapiere). Sie ist die meiste Zeit zu Fuß, bei Gelegenheit
auch mit dem Ochsenkarren oder Pferdefuhrwerk, unterwegs. Die letzten Kilometer kann
sie im Viehwaggon eines Zuges zurücklegen. Als der Zug in Attnang-Puchheim einfährt,
stürzt sie unglücklich aus dem Waggon und zieht sich eine Kopfverletzung zu. Schließlich
kommt sie im Mai 1945 total entkräftet mit Lungenentzündung und einem Kopfverband
bei ihrer völlig überraschten Familie zu Hause an. Durch die Pflege ihrer Familie erholt P. H.
sich schließlich, wenn auch sehr langsam. Nun erfährt sie, dass während ihrer Zeit im KZ
ihre zwei jugendlichen Töchter mit tatkräftiger Unterstützung der im gleichen Haus woh-
nenden Nachbarin Juliane Wieland
– liebevoll „Juli-Mami“ genannt
– den Haushalt für sich
und den Vater versorgt hatten. Frau Wieland war auch eine Zeugin Jehovas, die wahrschein-
lich aufgrund ihres hohen Alters keinen Verfolgungsmaßnahmen gegen die Bibelforscher
ausgesetzt war. Am 1. September 1947 wird P. H. als Opfer des NS-Regimes anerkannt und
bekommt die Amtsbescheinigung ausgestellt. Ihr Ehemann Engelbert Höllersberger stirbt
am 28. März 1952, wodurch sich eine finanzielle Notlage einstellt. Ab 1. April 1952 erhält
sie daher Unterhaltsrente. Ein paar Jahre später (im Frühjahr 1957) heiratet P. H. den um
viele Jahre jüngeren Zeugen Jehovas Johann Jungwirth (geb. 1930) aus Eisenerz. Das Ehe-
paar erleidet im Juli 1957 einen Motorradunfall, der für P. H. tödlich endet.
Qu.: Jehovas Zeugen Österreich/Geschichtsarchiv: Amtsbescheinigung vom 1. 9. 1947; Be-
treuungskarte des Bundesverbands ehemaliger politisch Verfolgter; Erinnerungsbericht der
Töchter Rosa und Pauline aus dem Jahr 2000.
Heidi Gsell
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Band 1, A – H
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- biografiA.
- Untertitel
- Lexikon österreichischer Frauen
- Band
- 1, A – H
- Herausgeber
- Ilse Korotin
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1422
- Kategorie
- Lexika