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Hollitscher1354
Hollitscher Hedwig, geb. Süß; Kindergärtnerin und Zeitzeugin
Geb. Wien, 2. 1. 1909
Gest. Wien, 19. 8. 2006
Herkunft, Verwandtschaften: Der Vater Philipp Süß hatte ein Wollgeschäft auf dem Areal
des heutigen Ringturmes, er wurde nach dem „ Anschluss“ zunächst in Wien in ein Sam-
mellager gebracht, versuchte nach London zu gelangen, wurde jedoch 1942 nach Polen de-
portiert und starb in einem Konzentrationslager. Die Mutter Sidonie Süß war Hausfrau,
sie starb 1940 in Wien. Die Familie lebte im 2. Bezirk in kleinbürgerlichen Verhältnissen.
Die beiden Brüder von H. H. gingen zunächst nach London, der Ältere, er hatte im Woll-
geschäft des Vaters geholfen, ging mit seiner Frau nach Amerika, starb mit 68 Jahren, der
Jüngere heiratete eine Wienerin, blieb in London.
LebenspartnerInnen, Kinder: Von ihrem ersten Ehemann (Karl Feller) nach eigenen Anga-
ben in Freundschaft geschieden. Zweiter Ehemann: Heinz Hollitscher († 2003), Musikwis-
senschafter und Journalist, war nach der Rückkehr aus der Emigration im Österreichischen
Rundfunk angestellt. Ihn lernte H. H. in London kennen. Die Tochter Marianne Wexberg,
geboren 1946 in London, war Arztassistentin, kümmerte sich um ihre pflegebedürftige
Mutter. Zwei Enkelkinder, der ältere ist Arzt im AKH, der jüngere Chef in einer Druckerei.
Ausbildungen: Volks- und Bürgerschule sowie eine Kindergärtnerinnenausbildung. Um sich
für eine Auswanderung vorzubereiten, besuchte H. H. einen Friseurkurs. Absolvierte das
psychoanalytische Seminar bei Anna Freud in der Berggasse.
Laufbahn: Ab 1928 als Kindergärtnerin bei der Gemeinde Wien angestellt, an Samstagen
half sie ihrer Schwägerin, die Modistin war, bei ihrer Arbeit. Nach dem „Anschluss“, als
ihre Kolleginnen den Einmarsch Hitlers feierten, beschloss sie nicht mehr in den Dienst
zu gehen. Nach einem vierwöchigen Urlaub wurde sie mit einer Pension entlassen. Aus
ihrer Wohnung in der Leopoldstadt vertrieben, zog sie mit ihrer Familie und ihrem ersten
Ehemann in die Villa eines Verwandten in der Cottagegasse, Wien-Währing, wo sie bis zur
Emigration mehr oder weniger unbehelligt leben konnte. Im April 1939 emigrierte sie nach
England und arbeitete dort als Hausgehilfin bei mehreren Familien. Durch ihre Tätigkeit als
Köchin und Betreuerin der PatientInnen bei dem Analytikerehepaar Hoffer kam sie wieder
in Kontakt mit Anna Freud, arbeitete dreieinhalb Jahre in den Hampstead Nurseries mit ihr
zusammen. Anna Freud kümmerte sich um Kinder von Vätern, die im Krieg waren und von
Müttern, die ebenfalls zum Kriegsdienst eingezogen waren und hatte ein einstöckiges Haus
gemietet. Da sie zuwenig Personal hatte, war sie sehr froh, H. H. als Mitarbeiterin gewinnen
zu können. Die Gruppen waren eingeteilt in Säuglings-, Kleinkindergruppen und in einen
Kindergarten. Jede Gruppe hatte eine „Mutter“, meist Studentinnen oder Schülerinnen, die
jüngste unter ihnen war 15, Hannah Fischer, mit der H. H. bis zu ihrem Tod befreundet
blieb. H. H.s Aufgabe war es unter anderem, sich um die Kindergartengruppe zu kümmern.
Während die Kinder zu Mittag schliefen oder am Abend, wurden auch Vorträge gehalten.
Anna Freud ging aufs Land, als London bombardiert wurde, H. H. ging nicht mit, da sie
ihren Mann nicht alleine lassen wollte. H. H. war aktiv im Austrian Centre tätig, spielte
Theater und sang im Chor, den ihr späterer Mann leitete und auf dem Klavier begleitete.
Später arbeitete sie in einer Fabrik, die Militärzelte herstellte, einem Kriegsbetrieb, und
abends als Bibliothekarin im Austrian Centre. Die Bücher, deutsche und englische, erbat
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Band 1, A – H
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- biografiA.
- Untertitel
- Lexikon österreichischer Frauen
- Band
- 1, A – H
- Herausgeber
- Ilse Korotin
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1422
- Kategorie
- Lexika