Seite - 1488 - in biografiA. - Lexikon österreichischer Frauen, Band 2, I – O
Bild der Seite - 1488 -
Text der Seite - 1488 -
Jellinek | J 1487
Jellinek Camilla, geb. Wertheim; Frauenrechtsaktivistin
Geb. Wien, 24. 9. 1860
Gest. Heidelberg, Deutsches Reich (Deutschland), 5. 10. 1940
C. J. wurde am 24. September 1860 als das erste Kind des Mediziners Gustav Wertheim und
seiner Ehefrau Wilhelmine in eine (jüdisch)-katholische Familie in Wien geboren. Von den
gelehrten und interessierten Eltern lernte C. früh bereits den Wert von Bildung schätzen,
eine höhere Bildung war ihr allerdings als Frau nicht zugänglich. Von 1875 bis 1877 besuch-
te sie die höhere Bildungsschule des Frauenerwerbvereins. Mit 19 Jahren begegnete sie dem
Juristen Georg Jellinek, dem Sohn des bedeutenden jüdischen Geistlichen Wiens, Adolf
Jellinek. C. und Georg Jellinek heirateten im Juli 1883. C. war zuvor aus der katholischen
Kirche ausgetreten, ohne jedoch zu konvertieren. Das Ehepaar ließ sich 1910 protestantisch
taufen. Im Mai 1884 bekam C. J. ihren ersten Sohn Paul, ein Jahr später kam Walter zur
Welt und 1888 die Tochter Dora.
1890 erhielt Georg Jellinek einen Ruf an die Heidelberger Universität. Im März 1891 wurde
die Tochter Paula geboren. Nach dem Umzug Max und Marianne Webers nach Heidel-
berg schlossen die Webers und Jellineks eine enge Freundschaft. Marianne Weber regte
C. J. schließlich an, sich außerhalb der Familie in der Frauenbewegung ein neues Betäti-
gungsfeld zu schaffen. C. J. wurde nicht nur Mitglied des 1897 gegründeten überregionalen
Frauenvereins „Frauenbildung
– Frauenstudium“, sondern Mitbegründerin und Vorsitzende
der neu gegründeten Heidelberger Rechtsschutzstelle für Frauen. Für sie begann mit der
Arbeit in der Rechtsschutzstelle „ein zweites Leben“. Daneben besuchte sie philosophische
und juristische Vorlesungen an der Universität und wurde schnell zu einer juristisch äußerst
begabten Autodidaktin.
1906 wurde C. J. in die Rechtskommission des Bundes deutscher Frauenvereine (BDF)
gewählt. Sie wurde in diesem Kontext schnell zur Fachfrau für verschiedene Fragen der
Strafrechtsreform, v. a. argumentierte sie für eine Abschaffung des Abtreibungsparagra-
phen. Bei der Generalversammlung des BDF 1908 wurde sie einstimmig zur Vorsitzenden
der Rechtskommission gewählt. Daneben war sie insbesondere auch mit Problemen des
gewerblichen Rechtsschutzes beschäftigt. Sie gründete im Herbst 1907 in Heidelberg ein
Wohnheim für Kellnerinnen sowie einen Trägerverein, damit diese als Nebenverdienst nicht
der Prostitution nachgehen mussten. Als der Beruf abgeschafft werden sollte, sammelte sie
im Alleingang 125 000 Unterschriften, um dagegen zu protestieren.
Nach dem Tod Georg Jellineks im Jahr 1911 verstärkte sich ihr Engagement für die Frauen-
bewegung. 1912 wurde C. J. zur stellvertretenden Vorsitzenden des Rechtsschutzverbandes
für Frauen, des Dachverbandes der deutschen Rechtsschutzstellen, gewählt. Bei Kriegsaus-
bruch wurde sie im „Nationalen Frauendienst“ (NFD) tätig und organisierte u. a. die Ar-
beitsvermittlung für Frauen in Heidelberg. Nach dem Krieg arbeitete C. J. seit 1915 auch in
zwei Bundeskommissionen des BDF mit, der „Kommission zur Vorbereitung des Gemein-
debestimmungsrechts“ und der „Kommission zur Fertigstellung der Petitionen zum Straf-
recht und zur Strafprozessordnung“. Ab 1916 bis 1933 saß sie im erweiterten BDF-Vor-
stand. Außerdem trat sie der Deutschen Demokratischen Partei bei. Nach 1918 begann sie
eine noch umfangreichere publizistische Tätigkeit und wurde in unzähligen Kommissionen
tätig. Im „International Council of Women“ (ICW) war sie die deutsche Vertreterin im
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Band 2, I – O
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- biografiA.
- Untertitel
- Lexikon österreichischer Frauen
- Band
- 2, I – O
- Herausgeber
- Ilse Korotin
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1026
- Kategorie
- Lexika