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Kohlhaas1704
Laufbahn: Blieb gegen den Willen der Eltern in Berlin, war als Übersetzerin und Pri-
vatlehrerin tätig. Sie übersetzte aus dem Englischen, Französischen, Russischen und Jid-
dischen. Später arbeitete sie für das „Berliner Tagblatt“ als Literaturkritikerin. Etwa zur
gleichen Zeit begann ihre schriftstellerische Tätigkeit. Sie schrieb Essays, Erzählungen,
Biografien, Autobiographisches, Gedichte und ein Theaterstück. Wegen der gescheiterten
Ehen musste sie allein für ihren Lebensunterhalt sorgen. Ihre Arbeit wurde immer wieder
durch Krankheiten und schwere Operationen unterbrochen. 1929 pachtete sie eine kleine
Pension in einem Thüringer Badeort, scheiterte jedoch nach einem Jahr, kehrte nach Ber-
lin zurück, arbeitete als Kritikerin und hielt zahlreiche Vorträge. War aktiv beim Allge-
meinen Schriftstellerverein und beim Deutschen Schriftstellerinnenbund tätig. M. K. war
auch Aktivistin in der anarchistischen Bewegung Groß-Berlins und engagierte sich be-
sonders für Themen wie soziale Revolution, freie Pädagogik, die Bedeutung von kulturel-
ler Arbeit und Frauenemanzipation. Ferner war sie Mitarbeiterin in der FAUD (Freie Ar-
beiter-Union Deutschlands) und schrieb auch für deren Zeitschriften zahlreiche Artikel.
Mit ihrer 1927 erschienenen Erstbiografie über Walter Rathenau hatte sie sich vor allem
in Berlin einen Namen gemacht. Ihre freiheitlich-geistige Gesinnung, ihre assimilierte
jüdische Herkunft sowie die vehemente Verteidigung des liberalen Politikers Rathenau
machten sie zur Erzfeindin der Nazis, und sie erhielt sogar Morddrohungen. Als der Ver-
folgungsdruck zu groß wurde, kehrte sie 1932 schließlich Deutschland den Rücken und
ging mit ihren beiden Söhnen nach Barcelona ins Exil. Ihre Freundinnen in Deutschland
hatten ihr bereits Anlaufadressen und Mitarbeitsmöglichkeiten verschafft, und so erfolgte
die Integration der Exilantin außerordentlich schnell. Bereits nach einigen Wochen veröf-
fentlichte sie journalistische Artikel auf Spanisch und lernte Katalanisch. In Deutschland
wurden damals alle ihre bisher veröffentlichten Bücher verbrannt und ihr Name auf die
„Schwarze Liste“ gesetzt. Ab 1936 unterrichtete sie Flüchtlingskinder in Blanes und im
Kulturzentrum der anarchosyndikalistischen Frauenbewegung von Barcelona – „Mujeres
Libres“ – Literatur, Sprache und Pädagogik. Sie gründete vier Schulen, die sich am liber-
tären, katalanischen Pädagogen Francisco Ferrer orientierten. Trotzdem litt sie anfänglich
unter dem Verlust, ihre poetisch-literarische Ausdrucksfähigkeit im Exil vorerst nicht ver-
wirklichen zu können. Hinzu kamen finanzielle Belastungen. Nahestehende Verwandte
in den USA halfen ihr mit regelmäßigen, allerdings geringen Überweisungen. 1937 kehrte
sie nach Barcelona zurück und zog im April 1938 aufgrund der massiven Bombardierung
Barcelonas nach Paris. Mehrere Emigrationsversuche in die USA misslangen. 1940 bis
1945 lebte sie versteckt, unter anderem in einem Kloster in Lyon. Nach dem Krieg wohnte
sie erneut in Paris. Sie lebte, isoliert und schwer krank, von Übersetzungen und Hand-
lese-Analysen. Kurz vor ihrem Tod wurde sie als Mutter eines Résistancekämpfers – ihr
ältester Sohn war 1945 in einem Gefecht umgekommen – geehrt. Sie erhielt eine kleine
Lebensrente und die französische Staatsangehörigkeit. Ihr gesamtes Denken und Leben
war geprägt vom Kampf für individuelle und gesellschaftliche Emanzipation.
Qu.: Archiv Bibliographia Judaica, Frankfurt am Main; Deutsche Bibliothek, Frankfurt am
Main; Tagblattarchiv (Personenmappe)
W. u. a.: „Zwischen den Armeen. Erzählung“ (1915), „Christiane von Goethe. Ein Beitrag
zur Psychologie Goethes“ (1916), „Das Bild des Weibes, geschaut von Mann und Frau. Ein
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Band 2, I – O
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- biografiA.
- Untertitel
- Lexikon österreichischer Frauen
- Band
- 2, I – O
- Herausgeber
- Ilse Korotin
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1026
- Kategorie
- Lexika