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an der Österreichischen Nationalbibliothek und legte am 17., 18. und 25. 6. 1935 die Prüfung
für den Höheren Bibliotheksdienst mit „sehr gutem Erfolg“ ab.
Laufbahn: Vom 1. 9. 1935 bis 31. 12. 1936 war sie als freiwillige Hilfskraft in der Porträt-
sammlung der Österreichischen Nationalbibliothek beschäftigt und wurde mit 1. 1. 1937
am Haus-, Hof- und Staatsarchiv als Aspirant des Verwaltungsdienstes zunächst auf eine
Stelle des mittleren Dienstes aufgenommen. Am 2. 8. 1939 wurde sie in den höheren Dienst
übernommen; davor wurde eine ausführliche politische Beurteilung über sie angefordert,
die bemerkenswerterweise widersprüchlich ausfiel: während die Gauleitung – Amt für Be-
amte mitteilte, E. M. stamme aus einer national eingestellten Familie und habe ihre natio-
nalsozialistische Gesinnung stets offen bekannt, schrieb der S. D.-Führer des SS-Oberab-
schnittes Donau: „Dr. Edith Mannlicher war betont christlich eingestellt. In der Familie
soll Gesandter von Papen sehr häufig verkehrt haben. Die Aufnahme in die NSDAP wur-
de von der zuständigen Ortsgruppe abgelehnt. Auch charakterlich wird Mannlicher un-
günstig beurteilt.“ Diese Beurteilung ging auf die Stellungnahme des Blockleiters in der
Döblinger Hauptstraße zurück, in der es u. a. hieß: „[ …] Ihre sozialistische Haltung ist
mangelhaft. Es berührt mich überhaupt merkwürdig, wieso Dr. Edith Mannlicher über-
haupt in Stellung ist, bei derartig günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen, die ja bei einem
Senatspräsidenten des O. G. H. als notorisch angenommen werden müssen. Bei Mannlicher
verkehrt nachweisbar Franz von Papen [ ….] Familie lebt außerordentlich abgeschlossen,
das wäre aber nicht mit zurückgezogen zu verwechseln. [ …] Es besteht sowohl in Bezug
auf die politische als auch moralische Eignung keine Veranlassung die umseitig genannte
(sic) in irgendeiner gehobenen Stellung im Staatsdienst zu belassen“. Ein Beispiel missgüns-
tig gehässiger Bespitzelung. In diesem Fall freilich wurde vom Reichskommissar für die
Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich die Gauleitung Wien um rasche
Klärung ersucht und diese teilte umgehend mit, die neuerlichen Ermittlungen hätten erge-
ben, dass Dr. E. M. wohl im religiösen Sinn erzogen, doch als verlässlich national einge-
stellt galt. Sie sei von der Ortsgruppe nicht befürwortet worden, weil sie keine besonderen
Verdienste für die Bewegung nachweisen könne. In persönlicher und moralischer Hinsicht
könne sie als absolut einwandfrei bezeichnet werden. Anschließend wurde auf ihren Vater
eingegangen, der gegenwärtig beim Reichsministerium in Berlin tätig sei.
Mit 27. 9. 1939 wurde E. M. zum Bibliotheksassessor und mit 27. 12. 1944 nach neuerlicher
Einholung einer politischen Beurteilung, diesmal von der Ortsgruppe vorbehaltslos befür-
wortet, zur Bibliotheksrätin (weibliche Form des Titels!) ernannt.
Inzwischen war sie über ihr Ansuchen mit 1. 6. 1940 in die NSDAP aufgenommen worden
(Mitgliedsnummer: 7. 684. 118). Was bewog sie zu diesem Schritt? Ihre Nichte nannte ge-
sellschaftliche Gründe und vermutete auch berufliche Rücksichten. Für die Richtigkeit die-
ser Einschätzung sprechen die oben erwähnten politischen Stellungnahmen und die warme
schriftliche Fürsprache ihrer BerufskollegInnen nach dem Krieg, die ihr größte Hilfsbereit-
schaft für alle ohne Beachtung der politischen Einstellung bescheinigten, sowie ihr weiteres
Verhalten in den folgenden Jahren.
Ihre Mutter starb 1941, viele ihrer Freunde fielen im Krieg. Sie selbst war im Luftschutz tätig.
1945 flüchtete sie vor dem Einmarsch der Russen in Wien mit ihrem Vater nach Großgmain
bei Salzburg (ihre Schwester hatte 1938 geheiratet und war nach Erlangen gezogen). Als sie
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Band 2, I – O
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- biografiA.
- Untertitel
- Lexikon österreichischer Frauen
- Band
- 2, I – O
- Herausgeber
- Ilse Korotin
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1026
- Kategorie
- Lexika