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Blockälteste über 300 Häftlinge eingesetzt. Nach 14 Monaten wird sie von dieser Position
abgesetzt, weil sie zu wenig streng zu den Häftlingen gewesen wäre und schließlich Haushäl-
terin beim Obersturmführer Müller. Schließlich ringt sie aufgrund eines Flecktyphus mit
dem Tod. Noch sehr geschwächt wird sie als Verkäuferin im Lebensmittelgeschäft im Haus
7 eingesetzt. Am 29. September 1944 bekommt M. einen Lichtbild-Ausweis ausgestellt:
„Dem IBV-Häftl. Nr. 8321 Moser Maria, geb. 13. 11. 06 ist es gestattet, das Haus 7 zum Ein-
kauf zu betreten und kann ohne Begleitung die Postenkette passieren. Dem Häftling ist es
bei Strafe streng verboten, gegenseitige Besuche und Spaziergänge zu machen. Der Häftling
ist bei Führerbaracke II beschäftigt.“ Ihre dort ebenfalls arbeitenden Glaubensschwestern
helfen ihr wieder zu Kräften zu kommen. Durch eine Verleumdung eines Mithäftlings, der
sie des Diebstahls von Gemüse bezichtigte, erhält sie zur Strafe 14 Tage Bunker und den
Verlust ihrer Arbeit. Schließlich wird sie Hauptsturmbandführer Schemmel zugeteilt, wo ihr
der Kontakt zu Zivilpersonen möglich ist. M. nützt diese Gelegenheiten immer wieder mutig
über ihre Überzeugung zu sprechen. Als absoluten und unerwarteten Höhepunkt erlebt M.
den Besuch ihrer Mutter im Lager Auschwitz. Eine verständnisvolle Frau mit besten Verbin-
dungen zu SS-Offizieren schleust ihre Mutter ins Lager Auschwitz ein und versteckt sie vier
Tage in einem freien SS-Barackenzimmer, wo sie sich mit M. treffen kann. In der Annahme
einen hochrangigen SS-Mann zu bekochen, erhält M.s Mutter bestes Essen. Dieses Zusam-
mentreffen betrachtet M. als besondere Hilfe ihres Gottes. Am 18. Jänner 1945 beginnt nach
dreieinhalb Jahren Auschwitz der leidvolle Evakuierungstransport. M. M. marschiert mit
vielen anderen Häftlingen unter dezimierter SS-Bewachung nach Großrosen, dann durch
Thüringen nach Mauthausen und über Nürnberg in das Lager Bergen-Belsen, am 5. März
1945 wird sie in Mittelbau-Dora registriert. Dort wird sie zusammen mit 25 weiteren Glau-
bensschwestern vom Kommandanten Beer ausgesondert und vier Wochen als Dienstbotin
der SS eingesetzt. Schließlich wird der Häftlingstrupp weiter in Richtung Neuengamme
getrieben, aber am 5. April 1945 sind die Zeuginnen Jehovas plötzlich sich selbst überlassen.
M. löst sich von den Glaubensschwestern und wandert allein weiter. Da jede Bahnverbin-
dung abgeschnitten ist, muss sie in Braunschweig fünf Monate bei einer Bauernfamilie blei-
ben, die sie wie eine eigene Tochter pflegt. Am 25. September 1945 kommt sie zu Hause an
und ist endlich mit ihrem Mann Alois, von dem sie sechs Jahre lang getrennt gewesen ist und
über den sie fast nichts erfahren hat, wieder zusammen. Alois überlebte ebenfalls sechs Jahre
Konzentrationslager. M. M. ist in ihrem Glauben ungebrochen und fühlt sich als Siegerin
über das NS-Regime, motiviert auch in ihrem weiteren Leben „zur Ehre, zum Ruhme, Dank
und Lobe Jehovas“ beizutragen. Sie lebt bis zu ihrem Tod am 14. September 1973 zusammen
mit ihrem Mann Alois in der Berggasse 22 in Braunau. Ihr Mann Alois trägt bis zu seinem
Tod im Jahr 1995 unermüdlich dazu bei, seine Geschichte und die seiner Frau bekannt zu
machen.
Qu.: Jehovas Zeugen Österreich/Geschichtsarchiv: Erinnerungsbericht von M. M. vom
30. 5. 1946.
L.: Hesse 1998, Hesse/Harder 2001, Hillinger 1999, Karner/Gsell/Lesiak 2008, Wontor-
Cichy 2006
Heidi Gsell
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Band 2, I – O
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- biografiA.
- Untertitel
- Lexikon österreichischer Frauen
- Band
- 2, I – O
- Herausgeber
- Ilse Korotin
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1026
- Kategorie
- Lexika