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Stainer-Knittel | S 3135
gut verkauft, dafür hab ich mir Silbergeld geben lassen, und dafür gehst du weiter lernen.“
(Zitiert aus den handschriftlichen Lebenserinnerungen A. St.-K.s). Nach einem Jahr war
das Geld allerdings aufgebraucht und A. St.-K. kehrte widerwillig nach Hause zurück, um
in der Landwirtschaft mitzuhelfen.
Laufbahn: Erste lokale Berühmtheit erlangte A. St.-K. als 17-Jährige, weil sie wagte, wozu
keiner der Burschen im Dorf den Mut aufbrachte. Angetan mit den Hosen ihres Bruders
seilte sie sich über eine hohe Felswand ab, um dort einen Adlerhorst auszuräumen. (Auf
diese Weise kontrollierten die Bauern die Adlerpopulation, um ihre Jungschafe vor den
gefürchteten Greifvögeln zu schützen.)
Nach dem unterbrochenen Studium und der Rückkehr nach Tirol porträtierte A. St.-K. wei-
terhin Bekannte und Familienmitglieder. Überraschend kaufte das Tiroler Landesmuseum
„Ferdinandeum“ ein Selbstporträt für 44 Gulden an, das ihr Vater an einen Kunsthändler in
Innsbruck geschickt hatte. Mit dem Erlös des Bildes geht sie nach Innsbruck. Unmittelbar
nach ihrer Ankunft malte sie für den Landeshauptschießstand des Schützenvereins zum
500. Jahrestag der Vereinigung Tirols mit dem Habsburgerreich ein Bild von Erzherzog
Karl Ludwig; das Porträt gefiel und weitere Aufträge folgten. Daraufhin konnte sie sich als
Porträtmalerin etablieren. Insgesamt schuf sie bis 1883 mehr als 130 Porträts. 1871 folgte
ihr aufsehenerregendster Auftrag. Binnen neun Tagen malte sie ein lebensgroßes Bild des
Kaisers, der sich überraschend zu einem Besuch in der Landeshauptstadt angekündigt hatte.
Auf die Frage des Monarchen, ob sie denn öfters male, antwortete sie selbstbewusst: „ Jawohl
Majestät, denn Malen ist mein Beruf!“
Ihr legendäres Abenteuer im Adlerhorst bestand A. St.-K. mit 22 Jahren noch ein zweites
Mal. Diesmal berichteten die Lokalzeitungen davon. A. St.-K. schrieb ihr Erlebnis nieder;
es erschien in bearbeiteter Form in mehreren Zeitschriften. Eine gehässige Illustration des
Textes von Mathias Schmid, ihres bis zu diesem Zeitpunkt als Freund betrachteten Förde-
rers, zeigte sie sehr unvorteilhaft von hinten beim Ausheben des Nests. Vor allem die Tat-
sache, dass sie als Akteurin von hinten gezeigt wurde, brachte A. St.-K. in Rage. Sie malte
daraufhin ihre eigene Version des Nestraubs („Adlerbild“, 1864).
Im Alter von 26 Jahren hatte A. St.-K. bereits zahlreiche Verehrer abgewiesen, die Malerei
war ihr immer wichtiger gewesen. Dann lernte sie die große Liebe ihres Lebens kennen, den
mittellosen Formatoren Engelbert Stainer. Die Eltern waren strikt gegen eine Heirat, doch
A. St.-K. bestand auf das Recht, ihren Ehemann selbst zu wählen und wurde daraufhin von
der Familie verstoßen. Erst Jahre später söhnte sie sich mit ihrem Vater aus.
Die Ehe war sehr glücklich, A. St.-K. bekam vier Kinder. Auch beruflich ergänzten sich die
Eheleute gut. Engelbert betrieb ein Geschäft in der Innenstadt, in dem er seine Gipsfigu-
ren und vor allem A. St.-K.s. Bilder verkaufte. Dass A. St.-K. ihren Beruf weiter ausübte,
auch nachdem sie Mutter geworden war, war außergewöhnlich. Noch dazu behielt sie nach
der Heirat ihren Namen. Auch ihre äußere Erscheinung war unkonventionell, ja geradezu
skandalös: sie trug ihr Haar kurzgeschnitten. Außerdem wird überliefert, dass sie mitunter
Männerkleider trug.
Als in den 1870er Jahren das Porträtgeschäft im Zuge der aufkommenden Fotografie ein-
brach, überredete ihr Mann A. St.-K. dazu, Blumen zu malen. Sie arbeitete sich autodidak-
tisch in ein neues Genre ein, studierte die Alpenflora und schuf in den folgenden Jahren eine
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Band 3, P – Z
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- biografiA.
- Untertitel
- Lexikon österreichischer Frauen
- Band
- 3, P – Z
- Herausgeber
- Ilse Korotin
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1238
- Kategorie
- Lexika