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Steinitz3174
Steinitz Rosa Meta, geb. Wurmfeld; Bibliothekarin und Buchhändlerin
Geb. 27. 8. 1890
Gest. 1. 11. 1974
Herkunft, Verwandtschaften: R. M. St. wurde 1890 als Tochter des Rechtsanwaltes Karl
Wurmfeld und seiner Frau Anna, geb. Karplus in Wien geboren.
LebenspartnerInnen, Kinder: 1910 Heirat mit Heinrich Steinitz, Anwalt und Verteidiger
prominenter sozialdemokratischer Funktionäre in der Ära des Dollfuß-Regimes. Im Zeit-
raum von acht Jahren brachte M. drei Töchter und einen Sohn zur Welt: Lisbeth, Anna,
Karl Heinrich und Brigitte.
Ausbildungen: Der bürgerliche Rahmen ihrer assimilierten jüdischen Familie ermöglichte
es R. M. St. das französische Lyzeum zu besuchen, und im Jahre 1908 als außerordentliche
Hörerin an der Universität Wien Anglistik und Romanistik zu studieren.
Laufbahn: Abgestoßen durch den Antisemitismus des Wiener Bürgertums, der in der Per-
son des Wiener Bürgermeisters Karl Lueger die Atmosphäre dieser Stadt prägte, wandte
sich die junge Studentin Frauen- und sozialen Fragen zu. Persönliche Diskriminierung und
der Widerwille gegen die Heuchelei ihrer bürgerlichen Umgebung brachten sie dem Ge-
dankengut der Sozialdemokratie näher und ließen sie auch aus der jüdischen Kultusgemein-
de austreten. Als R. St. im Dezember 1910 heiratet, bedeutete dies für die junge Frau auch
die Aufgabe ihres Universitätsstudiums.
Während des Ersten Weltkriegs 1916 geriet ihr Mann Heinrich Steinitz an der Ostfront in
russische Gefangenschaft. Den ihr gewidmeten Gedichtzyklus, den er während der Gefan-
genschaft verfasste, versuchte R. M. St. noch während des Krieges veröffentlichen zu lassen.
Im Jänner 1918 gelang Heinrich Steinitz über Finnland und Schweden die Flucht, die ihn
Mitte März zurück nach Wien führte.
Heinrich Steinitz wurde neben seinem Beruf als Anwalt zu einem bedeutenden Funktionär
der sozialistischen Schul- und Volksbildungspolitik. R. St. hatte sich indes der Literatur
zugewandt. Der Bibliotheksbestand des Haushaltes Steinitz bedeckte die Wände der Woh-
nung. R. St. und Rudolf Neuhaus, Bildungsfunktionär der Hietzinger SDAP, zeichneten
sich außerdem für die Arbeiterbüchereien (Arbeiterheim Goldmarkplatz, Siedlung Locker-
wiese und Arbeiterheim Penzingerstraße) verantwortlich.
Das abgebrochene Studium, währenddessen R. M. St. auch Pädagogik-Vorlesungen be-
suchte, befähigte sie, Kindern und Jugendlichen nach dem damaligen Bildungsprinzips des
„Hinauflesens“ so genannte „Schöne Literatur“ aber auch sozialkritische Literatur nahe zu
bringen. So wurde die Bücherei am Goldmarkplatz nicht nur für ihre eigenen, sondern für
viele Kinder aus Arbeiter- und sozialdemokratischen Familien ein beliebter Aufenthaltsort.
Die Wohnung der Familie Steinitz war im „Roten Wien“ ein Treffpunkt für junge Künst-
lerInnen, SchriftstellerInnen, aber auch für PolitikerInnen aus sozialdemokratischem und
linksliberalem Umfeld. Mit dem 12. 2. 1934 endete die Zeit des beispielhaften „Roten Wien“
abrupt. Alle Einrichtungen der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei wurden entweder be-
setzt oder zerstört. Das Dollfuß-Regime ließ Gemeindebauten, Arbeiterheime und auch
Arbeiterbüchereien mit Kanonen beschießen. R. St. und ihre Kinder mussten praktisch von
ihrer Wohnung aus mit ansehen, wie das Arbeiterheim am Goldmarkplatz und damit auch
die Bücherei und die Organisationsräume der „Roten Falken“ beschossen wurden.
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Band 3, P – Z
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- biografiA.
- Untertitel
- Lexikon österreichischer Frauen
- Band
- 3, P – Z
- Herausgeber
- Ilse Korotin
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1238
- Kategorie
- Lexika