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Presse“ teil. Bei der gleichzeitig in 18 Ländern stattfindenden ersten großen internatio-
nalen Frauen-Friedensdemonstration wurden Resolutionen verabschiedet, welche B. v. S.
gemeinsam mit Margarethe Lenore Selenka-Heinemann (1860 –1922) dem Präsidenten der
Haager Friedenskonferenz überreichte.
Im Juni 1904 zählte B. v. S. zur Prominenz der Internationalen Frauenkonferenz in Berlin,
deren Höhepunkt eine große Friedensdemonstration in der Philharmonie mit abschließen-
dem Suttner-Vortrag war. Ebenfalls 1904 bereiste sie aus Anlass des Weltfriedenskongresses
in Boston die USA. In Washington hatte sie im Weißen Haus eine Unterredung mit dem
Präsidenten Theodore Roosevelt (1858–1919). Acht Jahre später folgte eine zweite Ame-
rikareise, die sie als Vortragende von der Ostküste bis zur Westküste über 25.000 Meilen in
mehr als fünfzig Städte brachte, um über die gefährliche Lage in Europa aufzuklären und
um Unterstützung zu bitten.
Nachdem sich das Nobel-Komitee vier Jahre lang geweigert hatte, eine Frau auszuzeichnen,
wurde B. v. S. am 10. Dezember 1905 der Friedensnobelpreis verliehen, den sie am 18. April
1906 in Christiana entgegennahm.
Am 21. Juni 1914, zwei Monate vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges und während der
Vorbereitungen zu einem Weltfriedenskongress, den sie im August 1914 nach Wien ein-
berufen wollte, starb die bis zuletzt schriftstellerisch, journalistisch und agitatorisch tätige
Friedensaktivistin.
B. v. S. beeindruckte nicht lediglich durch ihren außergewöhnlich emanzipierten Lebensstil,
sondern stellte auch in ihren Romanen (etwa in „Daniela Dormes“ (1885) oder „Die Waffen
nieder!“ (1889)) dem traditionellen Frauenbild durch selbstbewusste, selbständige und intel-
ligente Protagonistinnen ein egalitäres Geschlechterverständnis gegenüber.
Ihre Geisteshaltung war wesentlich geprägt von aufklärerischem Gedankengut, welches
die Menschen als vernünftige, eigenverantwortliche, freie und gleichberechtigte Individuen
wahrnimmt.
Überzeugt von den wissenschaftlich-theoretischen Auffassungen der neuen Evolutionsthe-
orien und deren Gesetzmäßigkeiten, die ihren Fortschrittsoptimismus nährten, sah sie die
gegenseitige Angleichung der Geschlechter als Grundbedingung für eine „Erhöhung der
Menschenwürde“, welche letztlich zu „Menschen einer höheren Gattung“ sowie zu einer
allgemeinen Besserung der Gesellschaft führen würde. Durch eine „Erziehung zum Frieden“
sollte „das Vorrecht des Stärkeren radikal ausgerottet“ werden.
Gleichzeitig erkannte sie aber auch die Rolle der Sozialisation bei der Konstruktion ge-
schlechtsspezifischer Tugenden und trat offensiv für die Rechte und Chancen der Frauen,
für ein Frauenwahlrecht, Eröffnung der Bildungswege, eigene berufliche Tätigkeit und ei-
genes Vermögen ein. Sie selbst hatte zu Beginn ihrer schriftstellerischen Karriere auf Pseu-
donyme zurückgegriffen oder überhaupt anonym geschrieben, da sie die weit verbreiteten
patriarchalischen Vorurteile gegenüber Autorinnen nur zu gut kannte.
B. v. S. gilt heute als berühmteste Pazifistin ihrer Zeit. Ihr Gesellschaftsbild schuf einen
Politiktypus, welcher die internationale Friedensbewegung und vergleichbare soziale Bewe-
gungen in ihrem Eintreten für Menschenrechte und globale Solidarität nachhaltig beein-
flusste. Möglicherweise ist ihr auch das Privileg der ersten deutschsprachigen politischen
Journalistin zuzuerkennen. Mit der Darlegung ihrer Visionen – eines friedlichen und sozia-
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Band 3, P – Z
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- biografiA.
- Untertitel
- Lexikon österreichischer Frauen
- Band
- 3, P – Z
- Herausgeber
- Ilse Korotin
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1238
- Kategorie
- Lexika