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Thun-Hohenstein-Salm-Reifferscheidt | T 3295
van Beethoven seine Waldstein-Sonate gewidmet hatte. C. Th.-H.-S.-R. verlebte den größten
Teil ihrer Jugend im böhmischen Hirschberg/Doksy und im Waldsteinpalais in Prag, sie ge-
noss eine sorgfältige Erziehung und zeigte großes Interesse an Literatur und Musik.
LebenspartnerInnen, Kinder: 1878 vermählte sie sich mit dem Industriellen Oswald Graf
Thun-Hohenstein-Salm-Reifferscheidt (1849 –1913), erbliches Mitglied des Herrenhauses
des Wiener Reichsrats sowie Abgeordneter des Böhmischen Landtages (1880 –1913). Das
Paar bekam drei Söhne, Josef Oswald (1878 –1942), Adolf Maria (1880 –1957) und Paul
(1884 –1963). Die Familie verbrachte die Sommer meist auf einem der Thunschen Schlösser
in Böhmen, im Winter lebten sie im Wiener Palais Estherhazy in der Kärntnerstraße.
Laufbahn: C. Th.-H.-S.-R. erhielt als kaiserliche Hofdame zahlreiche Ehrentitel und war
u. a. Trägerin des Sternkreuzordens und des Ehrenzeichens für Kunst und Wissenschaft.
C. Th.-H.-S.-R. schrieb seit ihrer Jugend Gedichte und Erzählungen, wurde am Klavier von
Anton Rückauf unterrichtet, der später ihr Festspiel „Des Kaisers Traum“ (1898) vertonte.
Unter dem Namen Christiane Gräfin Thun-Waldstein brachte sie 1890 drei Einakter heraus,
die 1891 in Wien im Carl-Theater, im Burgtheater und etwas später im Stadttheater von
Czernowitz mit Erfolg aufgeführt wurden. 1884 kam ihr Märchen- und Erzählband „Was
die Großmutter erzählte“ bei Gerold, und 1895, in italienischer Übersetzung, bei Treve in
Mailand heraus. Ihre Jugendwerke handeln meist vom Leben einfacher Menschen, sind dem
poetischen Realismus zuzurechnen und zeichnen sich durch Leichtigkeit und Lebendigkeit
insbesondere in den Dialogen aus, mitunter fehlen darin aber Lebenserfahrung, Authenti-
zität und Schreibroutine. In einem späteren, 1908 veröffentlichten Erzählband sowie einem
unveröffentlichten Roman wandte sie sich mit genau gezeichneten Charakterschilderungen,
authentischen und diffizilen Beschreibungen der aristokratischen Welt am Vorabend ihres
Untergangs zu und folgte damit ihrem literarischen Vorbild Marie von Ebner-Eschenbach,
zu der sie in freundschaftlichem Kontakt stand. C. Th.-H.-S.-R. – von kraftvollem aber
auch explosivem Charakter
– nahm regen Anteil am kulturellen Leben ihrer Zeit, verkehrte
mit zahlreichen Persönlichkeiten aus Kunst und Gesellschaft, so pflegte sie einen über ein
Jahrzehnt dauernden Briefwechsel mit Hugo von Hofmannsthal (1902–1913), der sie in
ihrem literarischen Schaffen ermutigte, von dem sie sich jedoch 1921 nach einem Streit
abkehrte. C. Th.-H.-S.-R. war fest in die traditionellen Vorstellungen des ersten Standes
eingebunden, in denen sie mit ihrem literarischen Anspruch auf wenig Verständnis stieß.
Als Mitglied des Herrenhauses hatte sie zudem zahlreichen gesellschaftlichen Verbind-
lichkeiten nachzukommen. Eine Soiree, die Th. S. am 17. Juni 1901 in ihrem Prager Palais
zu Ehren des Kaisers gab, zählte sicherlich zu den Höhepunkten ihres gesellschaftlichen
Lebens. C. Th.-H.-S.-R. musste ihre künstlerischen Ambitionen auch zugunsten ihrer Fa-
milienpflichten hintanstellen: Zu Beginn der 1900er Jahre widmete sie sich der Pflege ihrer
kranken Schwester und ab 1908 der ihres Mannes, der nach einem Schlaganfall an den
Rollstuhl gefesselt war. Seinem Tod im Jahr 1913 folgte die Sorge C. Th.-H.-S.-R. um ihre
Söhne
– alle drei kämpften an der Front und wurden verwundet. Vom Zusammenbruch des
alten Österreichs zutiefst erschüttert, lebte sie bis 1921 „zurückgezogen, menschenscheu
und tieftraurig“ (Paul Thun-Hohenstein) in ihrer Wiener Wohnung am Hohen Markt, wo
sie schon fast erblindet, Marionettenpuppen aus Lindenholz schnitzte. Danach kehrte C.
Th.-H.-S.-R. auf ihr Landgut in Hirschberg/Dosky zurück, wo sie 1935 starb. 1929 war sie
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Band 3, P – Z
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- biografiA.
- Untertitel
- Lexikon österreichischer Frauen
- Band
- 3, P – Z
- Herausgeber
- Ilse Korotin
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1238
- Kategorie
- Lexika