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Laufbahn: 1935 absolvierte sie ein Praktikum im Kurhaus „Cäcilia“ in Bad Gastein und war
anschließend als Leiterin der Diätküchen am allgemeinen staatlichen Krankenhaus in Bel-
grad sowie als Diätassistentin im Kneippheim in Berneck/Fichtelgebirge tätig. Von April bis
Oktober 1938 besuchte sie einen Aufbaulehrgang an der Diätküche des Deutschen Roten
Kreuzes in München zur Erlangung der deutschen staatlichen Anerkennung und arbeite-
te anschließend am Biologischen Krankenhaus in München. Aus dieser Tätigkeit wurde
sie durch ihre Erkrankung an Kinderlähmung herausgerissen und war nach ihrer Gene-
sung 1940 bis zum Kriegsende Ernährungsreferentin bei der NSV (Nationalsozialistische
Volkswohlfahrt) im Gau Baden-Elsaß. 1940 starb ihr Großvater, 1944 fiel ihr Halbbruder
Paul bei Grodno (bis zum Zweiten Weltkrieg zu Polen, dann zur Sowjetunion, seit 1992 zu
Weißrussland gehörend). Vom August 1945 bis November 1946 war sie Haushälterin und
Köchin in einem von französischen Offizieren bewohnten Haus in Allensbach/Bodensee;
daran schlossen sich verschiedene Gelegenheitsarbeiten, auch kunstgewerblicher Art, bis sie
1949 Diätassistenzleiterin an der I. Medizinischen Universitätsklinik in Wien wurde, wo sie
ab 1953 auch in der Diätschule unterrichtete. Der Untersuchungsausschuss für politische
Säuberung (Stadtkreis Konstanz II. Kammer) hatte am 11. Dezember 1947 festgestellt, sie
sei weder Mitglied der NSDAP noch deren Gliederungen gewesen (das Dokument ist im
Nachlass erhalten). Alle ihre DienstgeberInnen bescheinigten ihr Gewissenhaftigkeit, Ver-
lässlichkeit und Fleiß und hoben ihr ruhiges, angenehmes Wesen hervor; die Professoren
der I. Medizinischen Universitätsklinik erwähnten auch ihre Beliebtheit als Vorgesetzte
und bei den PatientInnen, deren Wünsche sie nach Möglichkeit erfüllte: so kochte sie z. B.
für eine jüdische Patientin eigens koschere Speisen. Ab Februar 1956 war sie schließlich
Diätküchenleiterin an der „Kerckhoff-Klinik“ des Hessischen Staatsbades Bad Nauheim.
Da brachte 1960 eine Annonce in einer Fachzeitschrift die große Wendung, die ihr weiteres
Leben bestimmen sollte: Dr. Johann H. F. Otto, der deutsche Leibarzt der zuckerkranken
Gattin des Kaisers Haile Selassie von Äthiopien, Menen Asfaw (geb. 1889, Heirat 1911,
Kaiserin seit 1930), suchte für diese eine Diätassistentin. Wichtige Zusatzbedingungen: Al-
ter über vierzig Jahre und Kenntnis der französischen Sprache. E. T., die beide Bedingungen
erfüllte, bewarb sich und folgte damit einem Wunschtraum aus Kindertagen, einer Reise
nach Afrika. Sie war eine der zwei Bewerberinnen, die vom Leibarzt für die kaiserliche Ent-
scheidung ausgewählt wurden, und der Kaiser (1892–1975, Kaiser von Äthiopien 1930–1974)
entschied sich für sie. Auf drei Jahre lautete der Vertrag, 15 Jahre sollten es werden. Am
14. November 1960 landete die Maschine mit ihr in Addis Abeba, sie erhielt eine Wohnung
im Jubilee-Palast und wurde bald darauf vom Kaiser in Audienz empfangen. Bereits im De-
zember erlebte sie eine Revolution, die blutig niedergeschlagen wurde; es folgten zahlreiche
Hinrichtungen. Am 15. Februar 1962 starb Kaiserin Menen Asfaw und E. T. rechnete mit
ihrer Heimkehr nach Ende ihres Vertrages im November; doch der Kaiser bat sie in einem
persönlichen Gespräch, zu bleiben. Auf seinen Wunsch kochte sie für die kaiserliche Tafel
und leitete die Zubereitung der europäischen Speisen für die Bankette bei Staatsbesuchen –
beim Besuch der englischen Königin Elisabeth II. im Jahr 1965 waren z. B. 1000 Personen zu
bewirten. Auf Staatsbesuch kamen u. a. auch der Premierminister der Volksrepublik China
Chou en Lai (1964), Heinrich Lübke, Präsident der Bundesrepublik Deutschland (1964), aus
Frankreich Präsident Charles De Gaulle (1966) und Präsident Georges Pompidou (1973),
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Band 3, P – Z
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- Titel
- biografiA.
- Untertitel
- Lexikon österreichischer Frauen
- Band
- 3, P – Z
- Herausgeber
- Ilse Korotin
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1238
- Kategorie
- Lexika