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Wegscheider | W 3473
an der die Wegbereiterin des modernen Ausdruckstanzes, Rosalia Chladek (1905–1995),
eine leitende Funktion einnahm.
L.: Österreich 1918 –1934, www.rosalia-chladek.at/
Wegscheider Anna, geb. Hochgründler; Zeugin Jehovas und Gegnerin des NS-Regimes
Geb. Zell bei Kufstein, Tirol, 24. 9. 1904
Gest. KZ Ravensbrück, Deutsches Reich (Deutschland), 8. 6. 1942
A. W., geboren am 24. September 1904 in Zell bei Kufstein – über ihre Kindheit ist nichts
bekannt – verheiratet mit dem Salzburger Schuhmachermeister Josef Wegscheider und
Mutter von zwei Töchtern: Gertrude (geb. 1929) und Elisabeth (geb. 1937), A. W. tritt An-
fang der 1930er Jahre, zusammen mit ihrem Mann, den Zeugen Jehovas bei. Die Fami-
lie wohnt als Untermieter in dem Haus des Ehepaares Therese und Franz Mittendorfer –
ebenfalls Zeugen Jehovas – in Salzburg, Landstraße 15, wo Josef Wegscheider auch seine
Schusterwerkstätte hat. Ihre Tochter Gertrude beschreibt die Mutter in einem persönlichen
Gespräch mit der Autorin als sehr aktive und couragierte Zeugin Jehovas, die in Glaubens-
fragen der Familie führend voranging. Zusammen mit ihrem Mann besucht sie regelmäßig
die Treffen der Zeugen Jehovas im Kaltenhauserkeller in Salzburg. A. W. ist auch sehr gast-
freundlich und lässt, wie sich ihre Tochter Gertrude erinnert, immer wieder Zeugen Jehovas,
vor allem den damaligen Landesleiter der IBV (Internationale Bibelforschervereinigung),
Walter Voigt, bei ihnen übernachten. A. W. ist sehr darum bemüht ihre bereits schulpflichti-
ge Tochter Gertrude zu motivieren, in der Schule den Hitlergruß nicht zu leisten und scheut
auch nicht davor zurück mit dem Religionslehrer Diskussionen zu führen. Sie unterstützt
auch ihren Mann Josef in seiner ablehnenden Haltung zum Militärdienst, als dieser deswe-
gen am 17. Oktober 1938 zu acht Monaten Gefängnis verurteilt wird und bis zum 26. Mai
1939 im Wehrmachtsgefängnis Germersheim/Rhein inhaftiert ist. Am 1. September 1939
wird ihr Mann – gemeinsam mit dem Glaubensbruder Johann Pichler – erneut verhaftet.
Während der Gerichtsverhandlung am 26. September 1939 in Salzburg versucht der Richter,
die Angeklagten umzustimmen. Er lässt die Ehefrauen A. W. und Marianne Pichler in den
Gerichtssaal rufen in der Erwartung, dass die beiden Angeklagten durch ihr Erscheinen
zum Nachgeben veranlasst würden. Aber es kommt anders. Eine der Frauen, wahrscheinlich
A. W., äußert Worte der Ermunterung und sagt: „Euer Leben ist in Gottes Hand.“ Noch am
selben Tag werden beide Männer – sie sind die ersten zum Tode verurteilten Wehrdienst-
verweigerer Österreichs
– in Salzburg-Glanegg erschossen. Das Begräbnis zwei Tage später
am Salzburger Kommunalfriedhof, an dem etwa 150 Personen teilnehmen, wird von der Ge-
stapo mit Argusaugen überwacht und alle Anwesenden werden fotografiert. Kurz nach dem
Begräbnis kommt es zu einer Verhaftungswelle unter den Salzburger Zeugen Jehovas. A. W.
wird am 16. November 1939 wegen Verweigerung von Kriegsarbeit verhaftet. Nach etwa
vier Wochen Haft im Polizeigefängnis Salzburg wird sie am 28. Dezember 1939 zusammen
mit ihrer Vermieterin und Glaubensschwester Therese Mittendorfer ins KZ Ravensbrück
überstellt, wo sie zur Nummer 2582 wird. Sie kommt zunächst in den Block 5. Dort trifft sie
auf 450 vorwiegend deutsche Glaubensschwestern, die bereits einige Jahre Haft hinter sich
haben und sich wegen Verweigerung von Kriegsarbeit seit 19. Dezember 1939 im Arrestbau
befinden. Bis 9. Jänner 1940 werden sie mit Stehappellen sowie Dunkel- und Hungerarrest
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Band 3, P – Z
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- biografiA.
- Untertitel
- Lexikon österreichischer Frauen
- Band
- 3, P – Z
- Herausgeber
- Ilse Korotin
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1238
- Kategorie
- Lexika