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biografiA. - Lexikon österreichischer Frauen, Band 3, P – Z
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W | Wegscheider3474 in überfüllten, eiskalten Zellen des Zellenbaus drangsaliert. Ob A. W. auch in den Arrest kommt, ist ungeklärt. Am 9. Februar 1940 schreibt sie ihren ersten Brief an ihre Töchter: „Liebe Trudi! Ich bin gesund, was ich auch von euch hoffe. Wie geht es dir in der Schule? Was macht Elsi? Ich lasse alle Bekannten grüßen. Habe noch keine Post von euch. Ich habe immer große Sorge um euch, seid recht brav. Bussi an dich und Elsi.“ Dieser Brief ist auf der Rückseite mit einem Stempel versehen: „Die Schutzhaftgefangene ist nach wie vor hartnäckige Bibelforscherin und weigert sich, von der Irrlehre der Bibelforscher abzulassen. Aus diesem Grunde ist ihr lediglich die Erleichterung, den sonst zulässigen Briefwech- sel zu pflegen, genommen worden.“ Einmal pro Monat ist es A. W. gestattet einen genau fünfzeiligen Brief zu schreiben. Am 9. März 1940 schreibt sie den zweiten Brief, in dem sie sich bei den Pflegeeltern Sophie und Erwin für die liebevolle Pflege ihrer Kinder bedankt. Das Ehepaar Zeil  – ebenfalls Zeugen Jehovas  – wohnt in Hallein und hat sich bereits beim Begräbnis von Wegscheider und Pichler angeboten, die Kinder zu übernehmen. Für A. W. muss es eine große Erleichterung gewesen sein, zu wissen, dass ihre beiden kleinen Mäd- chen, die Jüngste ist ja erst 3 Jahre alt, in einer liebevollen Familie aufgehoben sind. Denn sie wird bestimmt auch unter großen Druck gesetzt, die sogenannte „Verpflichtungserklärung“ zu unterschreiben. Einige ihrer Glaubensschwestern geben dem Druck nach wie z. B. The- resia Mittendorfer, ihre Vermieterin. Sie wird, kurz nachdem sie von der Enthauptung ihres Mannes erfahren hat, am 5. Februar 1940 entlassen und kann nach Salzburg zurückkehren. Gertrude Wegscheider erzählt der Autorin, dass sie diese Entscheidung bis ins hohe Alter quälte. A. bleibt jedoch ungebrochen in ihrer Einstellung. Es ist allerdings anzunehmen, dass sie so wie einige andere Zeuginnen Jehovas aus Salzburg zu der Gruppe der sogenann- ten „Extremen“  – wahrscheinlich eine Fremdbezeichnung für jene Zeuginnen Jehovas, die schließlich jede Arbeit für die SS und auch den Zählappell verweigern  – zählt. Im Jänner 1942 kommt es wegen der Verweigerung Kriegsmaterial herzustellen zur Eskalation. Etwa 90 Zeuginnen Jehovas, darunter wahrscheinlich auch A. W., werden wegen ihrer Arbeitsver- weigerung zu Bunker und Dunkelarrest verurteilt. Bei eisiger Kälte werden sie ohne Jacken, ohne Decken und ohne jegliche Sitzgelegenheit in dunkle Barackenräume gesperrt. Sie er- halten eine Ration Brot und alle vier Tage Essen, dann noch zusätzlich 25 Stockhiebe. Nach 40 Tagen sind sie wandelnde Skelette und machen den Eindruck von Geisteskranken. A. W. wird einige Monate später umgebracht. Laut offizieller Todesmeldung ist sie am 8. Juni 1942 an colitis ulcerosa (chronische Dickdarmentzündung) im Konzentrationslager Ravensbrück verstorben. Die wahre Todesursache erfahren ihre Kinder erst kurz vor Kriegsende. A. W.s inzwischen 16jähriger Tochter Gertrude wird in Hallein durch einen Boten, wie sie in einem Interview (Sommer 2009) der Autorin erzählt, ein Brief mit folgendem Inhalt übergeben: „Liebe Trudi, wir waren mit deiner Mama zusammen. Sind in Häftlingskleidung. Dürfen aber am Sonntag im Wald spazieren gehen […].“ Trudi trifft sich mit vier Häftlingsfrauen (ebenfalls Zeuginnen Jehovas) im Guggental in Salzburg. Diese sind dort als Bedienstete bei SS-Männern eingesetzt. Die Häftlingsfrauen  – alle aus Deutschland  – übergeben Gertrude die Schuhe ihrer Mutter und geben ihr den wahren Todesgrund bekannt: Nachdem A. W. weggebracht worden ist, kommen kurze Zeit darauf ihre Schuhe (es waren spezielle von ihrem Mann für ihr kürzeres Bein maßgefertigte Schuhe) zurück in den Bibelforscherblock. Das war ein Zeichen dafür, dass sie ermordet worden ist. Wahrscheinlich kam sie auf den so
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biografiA. Lexikon österreichischer Frauen, Band 3, P – Z
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
biografiA.
Untertitel
Lexikon österreichischer Frauen
Band
3, P – Z
Herausgeber
Ilse Korotin
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79590-2
Abmessungen
17.4 x 24.5 cm
Seiten
1238
Kategorie
Lexika
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