Seite - 19 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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denweiblichenFamilienmitgliedern— , dieabernichtsSchillerndeshatte
und jede kirchlicheZensur vertragen mußte, wiejadaskirchliche Ele-
ment überhaupt dieseKreise zuseinensicherstenFundamentenzählte.
Während jener Urlaubswochen entwickelte sich das Völkerdrama^
das zum Doppelkriege führte. Die Gemüter waren daher sehr erregt
und besonders in den Kreisen, in denen ich lebte, voll loyalster, opfer-
bereiter Gesinnung. Doch das Wehen eines großen Gedankens oder
einer großen Zeit war nicht zu spüren. Ja, es werde Krieg geben,
der viel Opfer fordern und Elend bringen werde. Doch sah man dies
als eine Sache der Regierenden und der Armee an, der man wohl
allesGute wünschte, derman auch trotzMagentaimdSolferino—ver-
traute, die man aber noch nicht als Blut vom eigenen Blute ansah.
Und auch von der großen Bedeutung dieses Krieges machte man
sich keine richtige Vorstellung, selbst in jenen Kreisen nicht, die den
vollen Einblick hatten oder wenigstens haben konnten.
Für Italien hatte man das Gefühl der Geringschätzung, Gegen
Preußen jedoch war's der latente, doch mit Respekt imtermengte
Groll des gemütlichen Österreichers gegen den forschen, präpotenten
Preußen, von dem man wußte, daß er danach strebe, das zu
werden, was man einst war und— nicht ohne eigene Schuld— nicht
mehr sein konnte. Vor dem ,,Zündnadelgewehr" hatte man zwar
einigen Respekt, doch pochte man auf die innere Stärke des eigenen
Berufsheeres mit \del Kriegserfahrung, gegenüber dem Volksheer, das
sich nur auf wenig Erfahrung stützte. Felsenfestes Vertrauen setzte
man in die berühmte österreichische Kavallerie. Den glänzenden
Reitergeneral Edelsheim sah man schon mit seinen Husaren in Berlin
einreiten. Benedek genoß in der Armee, besonders aber in der Be-
völkerung, großes Vertrauen. Auf Gablenz hoffte man mit Zuver-
sichtund befürchtete nur, daß er aus Altona—wo er als Gouverneur
weilte— nicht rechtzeitig zurückkehren würde.
Bei dem geringen Verständnis, das die große Öffentlichkeit den
Armeeinteressenimd -Einrichtungen entgegenbrachte,hattemankeine
Ahnung von den Lücken und Rückständigkeiten, die im Organismus
des Heeres vorhanden waren.— Die leichtbeweglichen Wiener sahen
in dem Ganzen ztmächst noch die ,,Hetz", und gelegentliche Flug-
schriften, wie:
,, Österreich Fertig" imd ,,Österreich Vorwärts" sti-
mulierten die Menge kräftigst. (Freilich war der Wiener Witz später
sofort bereit, auch ein
,, Österreich Rückwärts" zu komponieren.)
Erhebend war's, bei den täglichen Praterfahrten oder Ritten, die
der jugendliche Monarch mit der strahlend schönen Kaiserin unter-
nahm, die freudige und ehrlich gemeinte Volksbewegung zu sehen.
Allerdings sollte dann in den kritischen Juli- und Augusttagen
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918