Seite - 22 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
Bild der Seite - 22 -
Text der Seite - 22 -
da man— von Venetien abgesehen, auf dasman ohnedies nichtmehr
gerechnet hatte— ohne Landverlust davonkam. Das Gegenteil hätte
meine Familie auch persönlich berührt. Denn hätte es sichum Schle-
sien gehandelt, so wäre mein Verbleiben in der Anstalt ausgeschlossen
gewesen, und wir wären preußischeUntertanen geworden. In späteren
Jahren ließ ich mir oft von meiner Phantasie erzählen, wie sich unter
solchen Umständen mein Schicksal wohl gestaltet haben würde!
Die Kriegsentschädigung von 20 Millionen Taler schmerzte das
große Publikum tief, während man sich über den Verlust moralischer
Güter, besonders über den Austritt aus dem Deutschen Bund, weit
weniger alterierte. Selbstim österreichischen Generalstabswerkwurde
erklärt— vielleicht war es auch nur gut gespielte Naivität—, daß
,, Österreich seine besten Kräfte nun nicht mehr für Deutschland,
sondern nur mehr für seine eigenen Interessen zu brauchen haben
werde".—
Dabei vergaß man— oder wollte es vergessen,— daß Österreich
und Deutschland bis zu gewissem Grade noch immer einen syn-
onymen Begriff auslösten, daß Österreich tatsächlich noch die eigent-
liche deutsche Vormacht repräsentierte und just daraus die wesent-
lichste Macht und Stärke für sein Regierungsprinzip und die daraus
resultierenden Maßnahmen zog. Erst mit dem Prager Frieden glitt
die deutsche Kaiserkrone endgültigvomHaupte der Habsburger, und
das offen und geheim betriebene Germanisierungswerk, zwecks ein-
heitlicher Leitung des Staatswesens, war dadurch für alle Zeiten er-
ledigt. Doch damals dachte man daran nicht. Man schämte sich
zwar des Mißerfolges, sprach in vielen Kreisen auch von Revanche
bei passender Gelegenheit, war aber schließlich doch froh, aus dem
Kriegselend so rasch herausgekommen zu sein.
Es würde zu weit führen, wollte ich hier meine Anschaumigen
über den Verlauf des Krieges niederschreiben; aber ein paar Worte
möchte ich über meine Auffassung gleichwohl einflechten, die sich
später, nach genauer Erkenntnis der treibenden Motive, herausge-
bildet hatte.
Der Doppelkrieg von 1866 war für uns ein Krieg ohne Chance.
Und wie es ein wahrhaftes Kunststück war, den Krieg in Italien
1859I) zu verlieren, so wäre es ein noch größeres Kunststück gewesen,
den Doppelkrieg zu gewinnen. Mit Recht nennt ein hervorragender
deutscherMüitärkritikerCustozza undLissa Kunstwerke ! Doch selbst
bei künstlerischer Behandlung war der Sieg nur durch die Unfähig-
^) Am Tage von Solferino — der Entscheidungsschlacht des Krieges —
betrugderVerpflegsstandderösterreichischenArmee 800000Mann, araSchlaclit-
felde selbst kämpften beiläufig 1 1 5 000Mann. Damit ist eigentlicli alles gesagt !
22
Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918