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fachlicher Ausbildung— eine Verbreiterung, doch auch Verflachung.
Die Anzahl der Unterrichtsgegenstände wurde derart vermehrt, daß
beim Abschluß des vierten Jahrganges 40 Gegenstände in den Quali-
fikationslisten prangten. Trotzdem kam aber das Schlagwort „die
Betonung der praktischen Schulung" auf, worimterman die Exerzier-
platzroutine und die praktische Verwertung unserer noch geringen
theoretischen Kenntnisse verstand. Wir bejubelten dieses Schlag-
wort, weil es uns auf Feld und Flur führte und die Schulbank in den
Hintergrund schob. Ganz mit Unrecht. Denn die wichtigste Aufgabe
jeglicher Schule bleibt, Geist und Charakter zu bilden und ersteren
mit dem nötigen Maß theoretischen Wissens zu füllen. Diese Auf-
fasstmg habe ich stets vertreten imd, soweit mein Einfluß gereicht,
auch zur Geltung gebracht.
Ein Vorzug des neuen Regimes lag in der Pflege der Neustädter
Tradition. Und man tat gut daran, denn die Maria-Theresianische
Schöpfung in Neustadt war eine durchaus glückliche, zumal in einer
Zeit, wo man dem militärischen Erziehungs- und Bildungswesen
wenig Wert beigemessen hatte. Bezeichnend für die Denkungsweise
dieses größten, mit scharfem Blick des Wesens Grund erfassenden
Monarchen aus Habsburgs Stamme sind die Worte, mit denen die
Kaiserin die Militärakademie dem ersten Kommandanten, Feld-
marschall GrafenDami, übergeben hatte : ,,Mach er mir rechtschaffene
Männer und tüchtige Offiziere daraus!"
Und wenn auch bis auf die jüngste Zeit große geschichtliche Ge-
stalten ihr noch nicht entsprossen sind, so waren es doch stets tüch-
tige Männer und Generale, die dort das Leitmotiv für ihr Leben er-
halten haben. Für den Ernst der militärischen Pflichterfüllung der
Neustädter spricht ein stimmungsvolles Monument im Akademie-
park— 1880 errichtet—, das die Namen der Helden bewahrt, die
ihr Leben für das Vaterland geopfert haben. Im Jahre 1866 allein
waren es nicht weniger als 104!
Das Lehrpersonal war reich bemessen. Im Gegensatz zu den
Kadetteninstituten entsprach die Qualität nichtimmer der Quantität.
Literatur, Physik, Chemie, Staats- und Völkerrecht, National-
ökonomie und Sprachen lehrten Zivilprofessoren, die ihre Fächer
wohl vollkommen beherrschten, uns militärisch arroganten Jüng-
lingen aber nicht genügend imponierten. Dadurch wurde die Schul-
disziplin gelockert.
Einen breiten Raum nahm die Taktik ein, die Generalstabshaupt-
mann Albori vortrug. Albori, der später Landeschef und Armee-
inspektor in Bosnien wurde, gewann dann großen Einfluß und zählte
zu den markantesten Erscheinungen der Armee.
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918