Seite - 28 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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Gleich den meisten von uns und wolil auch den meisten der ganzen
Armee, war ich vom ersten Momente an ein leidenschaftlicher Parti-
sane der Franzosen. Als die Ereignisse sich entwickelten, herrschte
unter uns große Erregung, und die lebhaftesten Diskussionen waren
an der Tagesordnung, gefördert durch die praktischen Jahresübungen,
die Pionierdienstarbeiten zu Wasserund zuLande, wo wir Gelegenheit
hatten, den Gedanken und Zungen freien Lauf zu lassen— sehr zum
Verdruß des leitenden Offiziers, der als einziger unter unseren Lehrern
ein Anhänger der Preußen-Deutschen war.
Mit dem politischen Interesse imd der patriotisch lauteren Sehn-
sucht nach ,,Revanche für Königgrätz" verband sich auch unser
persönliches Interesse, da bei einem Kriege der dritte Jahrgang
sofort ausgemustertworden wäre. Das höchste Ziel unserer Wünsche !
Als Rufer im Streite deckten sich meine Jünglingsgedanken und Argu-
mente oft geradezu verblüffend mit den halboffiziösen Auslassungen
des damaligen ,,Neuen Fremdenblattes." Ich vertrat einfach den
Satz: ,,Ceterum censeo Borussiam esse delendam".
Welch ein Hochgefühl nach dem französischen sog. ,,Sieg von
Saarbrücken" ! Undwelchniederdrückendes Empfinden, als in rascher
Reihenfolge die Nachrichten von den Mißerfolgen bei Spichern und
Wörth einlangten!
Inmitten dieser Eindrücke fuhr mein Jahrgang zu den Mappierungs-
übungennachZistersdorf,Windisch-BaumgartenundMistelbach.Wäh-
rend der Fahrt nach Wien geriet ich durch meine hochgespannten
Gefühle in einen völligen Konflikt mit einem Mitreisenden, Grund-
besitzer aus Südsteiermark, der zu meiner Empörung die franzö-
sischen Niederlagen als frohe Botschaft aufnahm. Ich zitierte erregt
Haynau, Metternich, Kempen usw. und bekam einen roten Kopf,
so daß meine Kameraden schließlich intervenieren mußten. Am
Schlüsse der Fahrt gab mir mein Gegner, ein schon bejahrter über-
legter Mann, versöhnend die Hand und sagte in freundschaftlichem,
wohlwollendem Tone:
,, Junger Herr, Sie werden es in Ihrem Berufe
wahrscheinlich weit bringen, doch rate ich Ihnen als erfahrener Mann,
sich für andere nie zu exponieren!" Dieser Rat schien mir für einen
Kriegsmann unpassend und ich habe ihn— leider Gottes— mein
Leben lang auch nie befolgt.
Als wir nach Neustadt zurückkehrten, waren die großen Schlachten
um Metz geschlagen, die Armeen des Kaiserreiches der Hauptsache
nach niedergeworfen. Bei der Fahrt durch Wien merkte man in allen
Bahnhöfen den Rückschlag dieser Ereignisse, das Abflauen der Kriegs-
stimmung, das resignierte Sich-Hineinfinden in das Unabänderliche,
das Anerkennen der Superiorität des norddeutschen Bundes, den die
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918