Seite - 37 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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wurde damals in der Armee viel geschrieben, meist seichtes Zeug,
kompilatorische Zusammensetzungen. Selbst die offiziellen Be-
helfe (z. B. Waldstättens Taktik) waren feuilletonistischer Art und
wenig geeignet, eine sichere Basis für taktische Studien abzugeben.
Überdies standen die taktischen Reglements, die nach 1866 in rascher
Folge wechselten, in keinem unbestrittenenAnsehen. Derenformellem
Teil wurde wenig Beachtung geschenkt. Exakte Formen, straffe
Ausführung hielt man für veraltet. Für das Gefecht waren die je-
weiligen Anschauungen bestimmter Persönlichkeiten maßgebend,
was einen häufigen Wechsel der Methoden hervorrief und oft in
Tüfteleien ausartete.
Charakteristisch war auch die große Verantwortungsscheu, die
bei den Offizieren, selbst bei den höheren, herrschte. Nur ja nicht
anstoßen und sich stets gedeckt wissen, vvar das Leitmotiv für die
meisten. Zweifelsohne eine Konsequenz der Erziehung, die auf das
persönliche Moment aufgebaut war und selbständige Regungen als
Auswuchs ansah. Dies griff hinein bis in den ausübenden Felddienst.
Wien war damals eine besonders lebenslustige Stadt. Der wirt-
schaftliche Aufschwung, in erster Linie aber die in allen Kreisen be-
triebene Börsenspekulation der ,,Gründerzeit" trugen einen wahr-
haft karnevalistischen Einschlag. Die Theater mit ihren Operetten-
und Ballettdiven spielten eine hervorragende Rolle. Die leicht ge-
wonnenen Münzen flogen noch leichter in die Welt hinaus, und nur
der galt, der über Geld verfügte und es springen ließ. Für uns Offi-
ziere blieb daher höchstens die Rolle einer Tanzmaschine in einigen
Salons und bei verschiedenen ärarischen Unterhaltungen. Dabei
mußte man immer hübsch bedacht sein, friedlich auszukommen,
denn kam es einmal zum Konflikt, stand die öffentliche Meinung und
die Presse unfehlbar auf Seite des Gegners.
Diese Verhältnisse sowie die geringen Bezüge^), die durch die
äußerst mäßige väterliche Beihilfe gestützt wurden, brachten es mit
sich, daß auch wir drei, ich sowie meine beiden Freunde, dieLeutnants
Malek und Cvitkovic, die wir auch gemeinsam wohnten, sehr einge-
schränkt imd frugal lebten. UnserAbendbrot bestand fast ausnahms-
los aus Tee mit einem kleinen kalten Imbiß, und das Gasthaus sah
uns nur bei besonderen Gelegenheiten. Einen hervorragenden An-
^) Der Leutnant bekam damals 50 Gulden Gage. Die monatlichen Abzüge
für die imerläßlichen Abgaben, Uiüformierimg, Dienerzulage usw. verringerten
dieselbe so, daß dem unbemittelten Offizierkaum mehr als ein Guldenim Tag
zur Verfügung blieb.
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918