Seite - 48 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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Vor dem Aufstieg lagerten wir in einem Talkessel. Wir sahen die
Lagerfeuer des Gegners. Aus einer Reihe von Anzeichen schlössen
wir auf einen starken Widerstand. Bei Einbruch der Dämmerung
wurde die Disposition für den Vormarsch ausgegeben. Ein ernstes,
fast weihevolles Empfinden erfaßte mich. In dieser Stimmung schrieb
ich zwei Abschiedsbriefe. Einen an meine Eltern, den zweiten in
anderer Direktion. Völlig weich geworden, übergab ich die beiden
Schreiben meinem Diener, mit der Weisung, sie zu bestellen, falls
ich fallen sollte. Ich hatte noch gar nicht geendet, als mir der findige
Sancho Pansa ins Wort fiel: ,,Pane Oberleutnant, was bekomm ich
alsAndenken?" Dieser naive, urgesunde Egoismus führte mich rasch
in die reale Situation zurück, und nachdem ich ihm einige kernige
Worte erwidert hatte, schlief ich einige Stunden den Schlaf der
Jugend.
Wir trafen den Feind an der Kammlinie einer steilen Höhe. Um
die Batterie vorzuholen und die Kolonne zum Aufmarsch zu bringen,
mußte ich zurückreiten. Ich sah keine Spur von ihr. Erregt über
Stock und Stein, durch Wald und Gebüsch reitend, fand ich sie end-
lich vom Wege weit abgeirrt, auf einem dem Gegner zugekehrten
Steilabfall. An der Spitze zwei Offiziere, sorglos miteinander plau-
dernd. Die Situation, die der Gegner zu unserem Glücke nicht be-
merkte, war scheußlich. Ein höllisches Feuer wurde nun auf den
Feind eröffnet, und der überraschte Gegner zog sich nach kurzem,
wirkungslosemGegenfeuer unter lautemSchreien in denWald zurück.
Nach leichtemKampfe besetzten wirSrebrenik,und unter Überwin-
dung unsäglicher Terrainschwierigkeiten vorrückend, lagerten wiram
Abendneuerdings in einerTalmulde. Totalausgepumpt, fielichineinen
todähnlichen Schlaf. Nach einigen Stunden woirde ich vom Brigadier
geweckt, hörte Schüsse knallen, Kugeln über uns hinwegpfeifen. Da
die Schüsse aus der Richtung eines Hauptpostens kamen, bewegte
ich mich mit einer Patrouille dahin, wurde aber, ehe ich ankam,
von einem ungarischen ,,Holt, wer do?" angehalten. Also eigene
Leute. Und ich gewahrte, daß der Hauptposten die Front gegen das
eigene Lager genommen hatte. Der allgemeinen Erschöpfung war es
wohl zu danken, daß sich in der stockfinsteren Nacht nicht einKampf
zwischen uns und unseren Sicherungstruppen entsponnen hatte.
Am folgenden Abend kamen wir mit dem Reserveregiment Nr, 23
in Verbindung, das von der Division zu unserer Unterstützung ab-
gesendet worden war. Vor uns sahen wir auf der Höhe ein großes
Insurgentenlager, hörten wilde Allahrufe, aus denen wir auf eine
große gegnerische Kampfesfreudigkeit schlössen. Auch zwei berittene
Insurgenten wurden eingebracht, einer davon ein \'ornehmer Beg,
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918