Seite - 51 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
Bild der Seite - 51 -
Text der Seite - 51 -
Verlängerung des Grundsatzes, der den Kriegsstand des Heeres auf
800 000 Mann festsetzte. Die deutschen Vertreter : Herbst, Giskra,
Demel, Sturm usw. wußten, daß der Bündnisvertrag von der An-
nahme dieser Forderung abhänge, und es hätte ihnen auch klar sein
müssen, daß die Krone daran unbedingt festhalten würde. Ihr
verbohrter Doktrinarismus aber ließ sie den Kampf, das Gezanke da-
gegen doch aufnehmen. So blieb der Regierung in ihrer Not nichts
übrig, als die Unterstützung dort zu nehmen, wo sie sich ihr bereit-
willig bot: bei den Polen und Tschechen. Dadurch brach das Re-
gierungssystem, das auf die Hegemonie der Deutschen aufgebaut war,
zusammen, und die Taaffesche Regierungskunst des Paktierens und
,,Fortwursteins" sollte ihren Anfang nehmen. Die Deutschen er-
hoben sich von diesem Fall, an dem ihre politische Unklugheit die
größte Schuld trug, nie mehr.
Im Sommer lernte ich gelegentlich der Generalstabsreise das Banat
bis Orsowa kennen, und der früh einsetzende Winter brachte mich
auf einer Inspizierungsfahrt in die Bacska und nach Neusatz. Von
da aus ging es nach Semlin und nach Belgrad. Damals sah man dort
die österreichische Uniform noch nicht mit scheelen Augen an, wurde
doch im Jahre darauf mit König Milan eine bindende Müitärkon-
vention abgeschlossen, und auch nachher wanderten noch lange Zeit
hindurch serbische Offiziere alljährlich in unsere höheren Militär-
schulen. Allerdings waren dies ausschließlich Konsequenzen der Ka-
binettspolitik des politisch begabten Königs Milan. Das Volksemp-
finden war uns aber schon damals vollkommen entfremdet, wesent-
lich durch die ungarische Politik. Auch waren bereits nationale Be-
gehrlichkeiten geweckt, die mit unseren vitalen Interessen kollidierten
und früher oder später zum Konflikt führen mußten. Rückblickend
erkennt man, wie an vielen Stellen und von langer Hand her vor-
bereitet die Keime zum Weltkriege ansetzten.
Bei der Weiterfahrt von Semlin nach Bazias blieben wir buchstäb-
lich im Eise stecken und erreichten, Nordpolfahrern gleich, nur mit
NotundMühe das Land. Dann mußten wir auf einer offenen Bauern-
britschka bei 15 Grad Kälte auf elenden Wegen 50 km weit nach
Pancsowa fahren. Es war ein Wunder, daß ich in meinem einfachen
Mantel nicht erfror. Halb bewußtlos hob man mich vom Wagen,
und Banater Sliwowitz löste mich aus der Erstarrung.
Der Budapester Winter 1879/80 verlief für mich sehr vergnügt.
Eine lebenslustige Gesellschaft, Zivil und Militär, fand sichzusammen,
und im ,,Budai-Kör", dem ersten Ofener Gentryklub, wurde Theater
gespielt, musiziert, getanzt, wobei der ungarische Einschlag den
Abenden eine besonders flotte Note verlieh.
4* 51
Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918