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mann. Tapfer wie ein Bayard, hatte er sich in allen Kriegen und
auf allenSchlachtfeldern mitRuhm bedeckt, diehöchstenOrden, doch
auch Wunden heimgeholt. Dabei besaß er große Geistesgaben und
einen umfassenden Blick, den er durch Studien und auf weiten Reisen
geschärft hatte. Erwar außerordentlichleutselig, dochhafteteihmnur
derNachteil sprunghafterIdeen an. Dadurch wurde er oftnicht richtig
verstanden und geriet auch manchmal mit sich selbst in Zwiespalt.
Unstreitig war er eine Führernatur und eine vornehme Persönlich-
keit, die für Intrigen und Verleumdungen nie zu haben gewesen wäre.
Die Kette intensivster Arbeiten wurde durch ernsthafte, gründ-
liche Vorarbeiten für einen möglichen Aufmarsch der Armeen in
Galizien vermehrt. Ich glaube nicht, daß besondere politische Vor-
gänge die Veranlassung dazu gaben, sondern der neuernannte Chef
des Generalstabes, Baron Beck, wollte in dieser V/eise System und
Ordnung in die notwendigen Arbeiten bringen. Dies lag in der Natur
dieses Mannes. Praktischen Blick und sachliches Urteü mußte man
ihm in hohem Grade zuerkennen. Er sah die Dinge nüchtern an,
ließ sich durch phantastische Ideen nie vom nächstliegenden Ziele
abbringen und war meistens glücklich in der Wahl seiner nächsten
Mitarbeiter. Unübertroffen war er in der Kunst, sich beim obersten
Kriegsherrn und beim präsumtiven Feldherrn, Feldmarschall Erz-
herzog Albrecht, dauernd in Gunst und Ansehen zu erhalten. Er
war zu jener Zeit einer der mächtigsten Männer im Staate, was sich
in ungewöhnlichen Ehrungen geltend machte, die man ihm in der
ganzen Monarchie, auch seitens der zivilen Behörden, fast in byzan-
tinischer Weise zollte. Sein ,,Ich werde es Seiner Majestät berichten",
ließ überall die Rücken krümmen, die Häuser beflaggen und selbst
die Lippen derFrauen kräuseln, denen er, besonders in seinen späteren
Jahren, mit ungezwungenster und deutlichster Galanterie entgegen-
kam. Beck behauptete sich ein Vierteljahrhundert auf seinem Posten,
oft unter den schwierigsten Verhältnissen sachlicher und persön-
licher Natur. Doch stand ihm die unbedingte, und was noch seltener
war, die dauernde Gnade des Kaisers zur Seite, die die komplizier-
testen Fragen stets zu seinen Gunsten löste.
Bei den konkretenAufmarscharbeiten fielen mir die Instradierungen
und ein guter Teil der Etappenvorsorgen zu, desgleichen die Vor-
sorgen für einen allgemeinen Alarm des Korps- und Generalatbe-
reiches. Was ich dabei an Papier verschreiben und an Skizzen imd
Oleaten zeichnen mußte— zumal diese Arbeiten für uns alle neu
waren, daher nicht selten umgearbeitet werden mußten —, hätte
schließlich einen Teü des Korpsareals bedeckt. Dies hielt mich aber
nicht ab, am gesellschaftlichen Leben teilzimehmen. Wenngleich
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918