Seite - 60 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
Bild der Seite - 60 -
Text der Seite - 60 -
die mich mächtig anzogen, erfaßte mich Wehmut, als ich die Zeugen
unserer rühmlichen und trotzdem unglücklichen kriegerischen Ver-
gangenheit in Augenschein nahm.
Im Herbst desselben Jahres war ich bei einer Bahntrassierung im
nördlichen Böhmen tätig und wohnte im altehrwürdigen Städtchen
Friedland, wo mich der ritterliche, als Korpsführer so unglücklich
gewesene Graf Clam-Gallas zu sich lud. Er lebte einsam auf seinem
historischen Schlosse. In vorgerückter Stunde, durch seine Erinne-
rungen gesprächig geworden, erzählte er dem jungen Kameraden
manches, was diesem zu Lehre und Nutzen hätte dienen können.
Das Jahr 1886 brachte mir eine umfangreiche Studienreise. Ich
fuhr von Fünfkirchen über Budapest, Miszkolcz, lyupkow, Przemysl,
Stryj bis Lemberg per Draisine, um die Bahnverhältnisse genau
kennen zu lernen. Dabei sah ich manches Unangenehme, besonders
wenn ich die Eventualität eines militärischen Massentransportes in
Erwägung zog, da diese zum großen Teil in Privatbesitz befindlichen
Bahnen sich keines guten Zustandes erfreuten. Seither geschah dann
wohl vieles zu deren Hebung, doch die Kosten waren jedenfalls weit
höher, als sie bei einer rationellen Grundlage gewesen wären. Ein bei
uns oft vorkommender, für unsere Verhältnisse typischer Fall.
Von Budapest unternahm ich eine größere Vergnügungsfahrt, die
mich über Kronstadt nach Bukarest brachte, dann über Gjurgjewo,
Schumla, Varna ans Schwarze Meer und durch den Bosporus nach
Konstantinopel. Eine wundervolle interessante Reise. Mein treuge-
bliebenes Gedächtnis bewahrt noch jetzt alle Erlebnisse und Ein-
drücke, in erster Linie einen herrlichen Morgenritt um die Mauern
Konstantinopels. Mein Freund, Hauptmann Neumann, und der preu-
ßische Gardeoffizier Baroii l'Estoque, hatten sich mir angeschlossen
und unter anregendem Gespräch, auf gängigen arabischen Pferden
sitzend, besahen wir uns die Stätten, wo jeder Stein Geschichte ist.
Am Ufer des Marmarameeres entzückte uns der herrliche Ausblick
nach Skutari, die Prinzeninseln, wir sahen tief in die Dardanellen
hinein, wo die tropische Vegetation in üppigster Vollendung stand.
Da fühlte ich, von so viel Schönheit überwältigt, den Wunsch: „Zeit
verweüe
. . .!" Schweren Herzens verließen wir den ,,Schlüssel Euro-
pas",nachdemwirnocheinenSchrittnachAsien, Skutari,getanhatten.
Beim Erreichen des siebenbürgischen Bodens kämpften wir mit
großen Paßschwierigkeiten, da mittlerweile zwischen Rumänien und
Österreich-Ungarn, vielmehr mit Ungarn allein, ein Zollkrieg aus-
gebrochen war, natürlich im Interesse der Agrarier. Dieser Zustand
hörte dann im Grundegenommen nie mehr aufund wurde noch durch
den Zollkrieg mit Serbien erweitert. In allen Fällen galt es, die Agra-
60
Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918