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rier besonders zu fördern. Diese Zollpolitik wurde dann mit eine der
Ursachen, die zum Waffenkonflikt führten. Und schließlich war ja
der schreckliche Weltbrand nichts anderes, als ein Handelskrieg.
Im Spätherbst absolvierte ich eine Trassenrevision derBahnstrecke
Scuczawa—Kimpolunk. Auch diese Bahn spielte im Weltkrieg eine
große Rolle, wie das ganze Buchenland, das sie durchzieht und das
jedem lieb werden muß, der Gelegenheit hat, es kennen zu lernen.
Der Winter 1886/87 leitete die erste der vielen Konfliktsperioden
ein, die, immer an den Rand eines Krieges mit Rußland führend,
sich wieder entspannten, bis das Ungewitter endlich — 27 Jahre
später— mit elementarer Gewalt niedersauste. Die latente Ursache
lag in der grundhältigen Gegensätzlichkeit unserer und der russischen
Balkanpolitik. Damals war die, wenngleich schwächliche Unter-
stützung, die wir dem entthronten Battenberger zugewendet hatten,
die Veranlassung dazu, nachdem wir das Jahr zuvor Serbien bei
seinem mißglückten Eroberungszug gegen Bulgarien — also gegen
denselben Battenberger— imterstützt hatten. Im Verein mit be-
trächtlichen Truppenverschiebungen in Kongreßpolen zeitigte dies
völlig explosiv eine akute Kriegsgefahr.
Unser Chef versammelte uns, bezeichnete den Krieg als bevor-
stehend, und rief uns zu ernster, emsiger Arbeit. Dieser Appell tat
seine volle Wirkung. Wir instradierten den ganzen Aufmarsch mit
fanatischem Eifer herunter, so daß wir das ganze Operat in kürzester
Zeit bewältigten. Parallel damit liefen die großen Herstellungsarbei-
ten auf, den Bahnlinien, von deren wenig tröstlichem Zustand ich
früher erzählt habe. Überdies wurden in allen galizischen Bahnsta-
tionen die Entladevorrichtungen wesentlich vermehrt. Was dies
mittenim galizischen Winter bedeutet, sah ich in der Station Tarnow,
wohin ich im Dezember exmittiert wurde. 30 Grad Reaumur Kälte
ließen da oft den Boden auf Metertiefe gefrieren. Tag und Nacht
loderten Holzstöße, bei deren Schein rastlos gearbeitet wurde. Zum
Glück gab es im Buffetwagen ein paar kräftige Tropfen, die einen vor
Erstarrung bewahrten. Damals machte ich die Erfahrung, daß man
selbst solch exorbitante Kälte vertragen lernt, vorausgesetzt daß die
Luft ruhig ist und man rasche Bewegungen tunlichst vermeidet, da-
mit das Herz nicht allzu sehr in Anspruch genommen werde.
Bei aller Arbeit quälten mich auch Prüfungssorgen für das Stabs-
offizierskolloquium. Doch das Prüfungsglück war mir hold.
Zu meiner Freude erhielt ich nach Abschluß der Prüfungen den
Auftrag zur politischen Begehung der Bahnlinie Sarajewo—Iwan-
sattel—Mostar. EswareineinteressanteKommandierung,umsomehr,
da das ganze Okkupationsgebiet sich im Zustand kriegerischer Er-
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918