Seite - 62 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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regung befand. Die große politische Agitation, die die drohende
Kriegsmöglichkeit hervorgerufen hatte, zitterte noch nach. Die Be-
gehung verlief nicht ohne erhebliche Schwierigkeit in der technischen
Durchführung und der baulichen Ausgestaltung. Es kam zu heftigen
Wortgefechten, und schließlich mußte ich in einigen Detailfragen
nachgeben,um den Bau dieser notwendigen Linie nicht zu verzögern.
Doch so oft ich dann— 23 Jahre später als kommandierender Gene-
ral— die Strecke bereiste, ärgerte ich mich in der Station Jablanic
über deren militärisch unrichtige Anlage.
Um mich für meine winterliche Leistung zu belohnen, unternahm
ich von Mostar aus einen Ausflug über Zara—Ancona—Rom—lyi-
vorno—Genua—Mailand und Triest.
Rom, die ewige Stadt! Die ungezählten Reminiszenzen an eine
mehrtausendjährige Vergangenheit, all das Erhebende, das von älte-
ster Kultur und nie versiegendem Schönheitssinn so verführerisch zu
sprechen weiß, übte einen unbeschreiblichen Zauber auf mich aus.
Dabei durfte man sich damals noch dem angenehmen Gefühl hin-
geben, daßman in die Metropole eines Freundeslandes kam. Umberto
regierte mit Crispi— letzterer war einer der Schöpfer des Dreibundes,
nunmehr seligen Angedenkens.
Im April 1887 waren eben die ersten kolonialpolitischen Enttäu-
schungen der Massauahexpedition über Italien hereingebrochen, wo-
durch die Italiener— allerdings nur für einen Moment— bei ihren
neuen, von ehrlichen Empfindungen erfüllten Bundesgenossen An-
schluß suchten und— wie stets— fanden, was sich auch im öffent-
lichen Verkehr ausdrückte. Man bekam als Tedesco, besonders als
Austriaco, freundliche Antworten, wurde in den Hotels und Pen-
sionen gut behandelt und nicht mehr als landesüblich geschröpft,
mit einemWort, ich lernte damals die Italiener von ihrer besten Seite
kennen. Vom Übermaß des Erschauten und Empfundenen entzückt,
trank ich, ehe ich abreiste, aus voller Herzenslust einen kräftigen
Schluck Wasser aus der Fontana Trevi, bekanntlich ein unfehlbares
Mittel, Rom wiederzusehen. Nim, einmal hielt die Zauberkraft
durch !
Prächtig war die Fahrt auf der Küstenbahn der Levante di Po-
nente, von Livorno über Spezia nach Genua, wobei mir ein italieni-
scher Brigadegeneral liebenswürdigst den Cicerone machte und, ob-
wohlMitkämpfer von Custozza,mich kameradschaftlicherGefühlever-
sicherte. Es war eben die kurze Maienzeit des Bündnisses, dessen
Blüten dann der erste rauhe Hauch knicken sollte.
Kaum nach Wien zurückgekehrt, erhielt ich den dienstlichen Auf-
trag, sämtliche Balkanbahnen zu rekognoszieren. Eine interessante,
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918