Seite - 66 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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Als Generalkonsul mit politischen Agenden, sozusagen Gesandter,
fungierte Baron Burian, dessen Ministerkollege ich 25 Jahre später
werden sollte. Ich konnte ihn damals nur flüchtig sprechen, da er
schon zu jener Zeit ein sehr zugeknöpfter, großes Selbstbewußtsein
zur Schau tragender Herr war.
Nach Nisch zurückgekehrt, wohnte ich einer Militärparade bei, die
einen günstigen Eindruck machte. Dagegen traten die Spaltungen
im Offizierskorps fast offensichtlich zutage. Dabei behielt die unserer
Monarchie feindselige Richtung zweifellos Oberwasser. Vor der Ab-
reise geschah es mir, daß ich — die Bahnhofseinrichtungen nach-
prüfend— das Abfahrtssignal verpaßte. Der Zug fuhr mir vor der
Nase davon und mit ihm mein Reisegepäck, in dem wichtige, jeden-
falls aber verfängliche Notizen verstaut waren. Ich zwang mich zur
Ruhe, bat den Stationschef, meine Koffer in Alexinac hinausbug-
sieren zu lassenundnahm einen Wagen,um diese Station zu erreichen.
Die Höllenqualen, die ich während der zweistündigen Fahrt aus-
stand, waren eine verdiente, aber harte Strafe für meine Unvorsich-
tigkeit. Eine Zentnerlast fiel mir vom Herzen, als ich mein Gepäck
unversehrt in Empfang nahm.
In Alexinac fanden gerade die Skupschtinawahlen statt. Die
austrophile Fortschrittspartei mit Garasanin an der Spitze war ge-
stürzt, und die russophile radikale Risticpartei ans Ruder gelangt.
Darob ein Radau, vom Offizierskorps des dort stationierten Kaval-
lerieregiments kräftigst unterstützt. Eine armselige Wiener Damen-
kapelle mußte buchstäblich die ganze Nacht die russische National-
hymne spielen, die von nicht endenwollendem Ziviogebrülle begleitet
wurde. Eine Huldigung, die auch mir persönlich mit galt, da die
johlenden Herren mich als ,,Svaba" erkannt hatten.
In Belgrad selbst ging es kunterbunt zu. Garasanin, vom Pöbel
bedroht, schoß aus dem Fenster, und selbst der König fand es
geraten, den Konak nicht zu verlassen. VonjenemMoment an hatten
wir in Serbien ausgespielt. Das Treiben gegen die Monarchie nahm
seinen Anfang, kristallisierte sich nach derErmordung der Obrenovic
in feste Formen und leitete schließlich in den Weltkrieg hinüber.
Nach Wien zurückgekehrt, öffnete ich gar nicht erst mein Reise-
portefeuüle, sondern fuhr gleich weiter nach Berlin, wohin mich mein
militärisches Herz schon lange gezogen. Ichkam gerade zurecht, um
der Frühjahrsparade des Gardekorps beizuwohnen. Sie war wohl das
glänzendste mÜitärische Schauspiel, das man in jener Zeit sehen
konnte. Die wahrhaft strahlenden Truppen mit ihrer völlig stupenden
Präzision, offensichtlich von der begeisterten Bewimderimg einer un-
übersehbaren Zuschauermenge getragen. Der alte, glorienumstrahlte
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918