Seite - 67 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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Kaiser mit allen Prinzen und Prinzessinnen, teils zu Pferde, teils
gleich dem greisen Monarchen im offenen, ä la Daumont bespannten
Wagen. Bismarck, Moltkeund viele anderePaladine ausDeutschlands
Heroenzeit. Es war ebenso schön und imposant wie neiderweckend,
da man kein ähnliches Gegenstück zu geben vermochte. Und nicht
leererScheinwurdegeboten, sondern inglänzenderHülleeinstählerner
Kern: die Frucht 200jähriger zielbewußter, von Fürstund Volk ein-
trächtig bewirkter physischer, geistiger und moralischer Arbeit^)!
Einer Einladung des Barons l'Estocque folgend, dinierte ich beim
I. Garderegiment zu Fuß, was mich um so mehr interessierte, als zu
jener Zeit in unserer Armee die Offiziersmessen kaum im Entstehen
waren. Dann fuhr ich nach Hamburg und über Dresden heim.
Im Oktober 1888 trat spontan die Kriegsgefahr erneuert auf.
Niemand zweifelte mehr, daß es nun ernst werden würde. Und
damals hielt auch der jüngst geschlossene Dreibund fest. Deutsche,
italienische und österreichisch-ungarische Generalstabsoffiziere saßen
in Wien am Arbeitstisch, und wir instradierten gemeinsam nach ein-
heitlichem Plane, dem deutscherseits der später vielgenannte Graf
Waldersee viel Nachdruck zu geben wußte.
SechsKorpsund zwei Kavalleriedivisionenwurden aus Italiendurch
Tirol an den Oberrhein dirigiert, um am linken Flügel der deutschen
Operationsfront in Aktion zu treten, während die beiden bayrischen
und das sächsischeKorps nachNiederschlesien befördert werden soll-
ten. Die Heeresfronten gegen Rußland hätten König Albert von
Sachsen und Feldmarschall Erzherzog Albrecht führen sollen. Die
vom Rhein aus operierenden Armeen wären unter I^eitung des ober-
sten deutschen Heereskommandos gestanden.
Zwischen England imd Rußland war jene schwere Spannung noch
nicht geschwunden, die zwei Jahre früher (1885) fast zum Waffen-
konflikt geführt hätte. Die operativen Chancen standen also für die
Mittelmächte zweifelsohne günstig, ganz unverhältnismäßig günstiger,
als 27 Jahre später, wo es dann tatsächlich zum Zusammenstoß kam.
Diese Bedingungen erkennend, bestand damals unter uns allseits
eine resolute Stimmung. Doch in den obersten Kreisen wollte man
von einer müitärischen Konflagration nichts wissen. Bestimmend
hiefür waren, wie in Österreich so oft, fast ausschließlich persönliche
Momente. Die Sache ging dem Armeeoberkommandanten, Erzherzog
Albrecht, wider den Strich. Seine Neigungen zogen ihn weit mehr
nach Rußland, insbesondere zur russischen Dynastie, als zu Deutsch-
land und den HohenzoUern, in denen er doch nur Rivalen erblickte.
*) Und doch mußte auch diese eherne Säule stürzen! Wer hätte dies für
möglich gehalten?!
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918