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schlössen, um die oberste Regierung oder, wieeskurzweghieß, ,,Wien"
zu zwingen, alle nationalen und hypernationalen Anforderungen zu
erfüllen. Äußerungen, die der Thronfolger während der Sarvarer
Manöver getan haben sollte und die darauf schließen ließen, daß er
solchen Anforderungen nichts weniger als gefügig gegenüber stehen
würde, beschleunigten diese Bewegung. Man glaubte, daßman ange-
sichts des fortgeschrittenen Alters des Trägers der Krone nicht mehr
viel Zeit hätte, ,,vorher" noch alles ins Reine— so wieman dies eben
wünschte— zu bringen. Man hatte sich darin getäuscht, wie in vielem
anderen, und das Schicksal in seiner Omnipotenz lenkte später alles
ganz anders, als sich's die Beteiligten damals hatten träumen lassen.
Gleichwohl erzielte jene nationale Bewegung, besser gesagt Unter-
bewegung, bedeutende Erfolge im Sinne der Radikalen.
Ich stand inmitten dieser Ereignisse, hatte wiederholt damit zu
rechnen und zu rechten, und durch die folgenden zwölf Jahre, bis
einschließlich meiner Ministerzeit, beschäftigte ich mich aus dienst-
lichemundpersönlichem,beziehungsweisepolitischemInteressemitden
ungarischenVorgängenundderungarischenFrage. EinkurzesKompen-
dium über diesehochwichtigeFrage seihier alsBeilage i angeschlossen : Beilage l
ein kleiner Beitrag zur Geschichte der versunkenen Monarchie.—
Die Folge dieser Agitation war eine Reihe von Konflikten mit den
Militärbehörden, die einen außerordentlich schweren Stand hatten.
Sie sollten den Ausbruch von Exzessen vermeiden, dabei aber doch
das staatliche und militärische Prestige wahren. Die Einführung
der ungarischen Kommandosprache wurde als eine conditio sine qua
non hingestellt, und im ganzen Lande erhob sich eine organisierte
Hetze gegen die Volkshymne (,,Gott erhalte").
Diese Scylla und Charybdis konnte mancher Stationskommandant
nicht glücklich durchschiffen und mußte es mit dem Verlust seiner
Stellung büßen. Ich hatte für mein Kommandobereich ein fixes
Programm zurechtgelegt. Es war gut, denn ich kam über alle
Fährlichkeiten hinweg, ohne die Staatsautorität preiszugeben.
Mit allen parlamentarischen Pressionsmitteln setzte die Opposition
ein, als der Kriegsminister Krieghammer ^) Ende 1902 ein erhöhtes
Rekrutenkontingent anforderte. Es handelte sich um 25 000 Mann
für das gemeinsame Heer^ und die aliquoten Teile für die beiden
^) Baron Krieghammer war zehn Jahre Kriegsminister. Vielfach angefein-
det und organisatorisch nie wesenthch hervortretend, wußte er sich gleichwohl
die allein maßgebende Gvmst des Kaisers tmgetrübt zu erhalten. Seine Einfluß-
nahme bezog sich vomehmHch auf die Personalfrage, ein Gebiet, auf dem er
autokratisch schaltete. Immerhin muß man zugeben, daß das Offizierskorps
der Armee nie einheitlicher und gleichmäßiger zusammengesetzt war als imter
seinem Regime.
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918