Seite - 90 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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stand auf dem Forterhalt des Donaureiches aufgebaut bleiben sollte.
Es gab keine Zusammenstellung, die den Interessen Ungarns besser
entsprochen hätte als die des Donaustaates, darin Ungarn zwar
nicht die restlose Selbständigkeit besitzen, aber aufs beste leben und
sich entwickeln konnte, um so mehr, als es in diesem Staatsgebilde
weitaus die dominierende Rolle spielte.
Zu jener Zeit erfüllte mich allerdings in erster Linie der Gedanke,
daß der Bestand und das Wohlergehen Österreichs von der ungehin-
derten Entwicklung des Donaureiches abhängig sei, welches ohnedies
durch die dualistische Verfassung jeglicher Machterweiterung ent-
sagen mußte. Ganz besonders lagen mir aber die Interessen der Dy-
nastie am Herzen, Sie bildeten nach wie vor die Achse meiner poli-
tischenErwägungen, und die religiöseVerehrung, diemirvonfrühester
Elindheit anerzogen war, ließ mir die angestammten oder arro-
gierten Rechte als ein unantastbares Heiligtum erscheinen. Ich war
ein überzeugter, unbedingter Lehensmann, der aus innerster Seele
heraus stets bereit war, für die Interessen des Erzhauses unter allen
Umständen und mit ganzer Persönlichkeit einzutreten. Der Glaube,
ja die Überzeugung, daß der Bestand des Reiches mit jenem der
Dj'nastie stehe und falle, stand bei mir unverrückbar fest. Erst
später erkannte ich, daß das Zerreißen dieses Bandes nicht unbe-
dingt gleichbedeutend mit Leben und Tod des Staates sein müsse
Was wäre das auch für ein Staat, dessen Existenz auf das Gedeihen
einer einzigen Familie aufgebaut ist, gleichviel ob sie aus mehr oder
minder schaffenskräftigen Mitgliedern besteht! Wäre es nicht, als
stellte man eine mächtige Pyramide auf die Spitze statt auf die Basis
und verlangte dann ungestörte Stabilität?^) In einem solchen Staate
gäbe es keine Staatsbürger— nur Untertanen, Subjekte, deren einzige
Daseinsberechtigung im Gedeihen der Dynastie und nicht des Staates
gelegen wäre. Eine souveräne Gutsherrschaft mit einem hörigen
Meierhof! Unmöglichkeitenim 20. Jahrhundert, derenVerwirklichung
nicht einmal vom dj'^nastischen Standpunkte wünschenswert gewesen
wäre.
In jener Zeitperiode, die ich eben beschreibe, war ich aber vom
Dogma ewiger Untrennbarkeit des Bandes zwischen Dynastie und
Staat vollkommen durchdrungen. Diese Überzeugung, vereint
mit jener, daß jegliche Lockerung der Bande und jegliche Herab-
minderung der Wehrfähigkeit beider Staaten unbedingt zu verwerfen
^) Heute ist diese Pyramide längst umgestürzt imd dabei in viele amorphe
Stücke zersprungen. Die Völker-, viügo Duodezstaaten vegetieren zusammen-
hanglos nebeneinander. Das Weltenschicksal hat aber noch lange nicht ent-
schieden, ob sie den gememsamen Weg in irgendeiner Form nicht doch noch
werden gehen müssen.
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918