Seite - 91 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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und zu bekämpfen sei, ließ mich aus den Bekümmernissen nicht
herauskommen, ein weiteres stumpfes indolentes Zuschauen jedoch
völlig wie eine Pflichtverletzung empfinden.
In diesem Sinne verfaßte ich im Februar 1904 ein Memoire, darin
ich die Lösung imd Regelung der schwebenden staatsrechtlichen
Fragen, vom Standpunkte des Militärs aus, eingehendst darlegte und
auch die Mittel undWege hierzu vortrug. Ich wies darauf hin, daß
just in jener Zeit die außenpolitischen Verhältnisse außerordentlich
günstig lagen, und daß die vielen großen Fragen bereits keimten, die
eine vollkommen ungeschmälerte, sogar potenzierte Aktionsfähigkeit
der Monarchie in jeder Hinsicht entschieden forderten.
Dieses Elaborat sandte ich im März an den Souschef des General-
stabes. Den sich herausgebildeten Konstellationen angepaßt und
überdies ergänzt, bekam es Ende 1906 der Chef des Generalstabes
Conrad und Anfang 1909 der Kriegsminister Schönaich. Bei diesem
blieb es, bis ich Minister wurde. Welche eigentümlichen Umstände
dann dahin führten, daß es für einen Moment von aufregender Be-
deutung wurde, will ich später erzählen. Jetzt, nach vielen Jahren,
kann ich ganz objektiv sagen, daß die Lösung unter den damaligen
Verhältnissen aller Wahrscheinlichkeit nach zu einem guten und
raschen Erfolg geführt hätte. Schon aus dem Grunde, weil bei dem
Aufbau die Zeitverhältnisse eine genaue Beachtung gefunden hatten.
Etliche Jahre danach, als Franz Ferdinand davon erfuhr, lagen die
Umstände schon ganz anders, wenngleich er es nicht zugeben wollte.
Sokam es, daß jenes Elaborat unausgeführt blieb, gleich vielen andern
Vorschlägen, die die ungarisch-österreichische Frage gründlich lösen
wollten.
Bald nach Übergabe meines Memoires kam die Bewegung, von der
in Ungarn schon alle Gemüter in hohem Maße ergriffen waren, zum
zeitweüigen Stülstand durch den dringenden beschwichtigenden
Appell, den der als Politiker und Historiker angesehene Koloman
Thaly tränenden Auges in offener Parlamentssitzung ergehen ließ.
Die nun folgende mehrmonatige Ruhepause wurde erst im Herbst
durch ein politisches Schreiben Tiszas an seine Ugraer Wähler ab-
gebrochen.
Der mittlerweüe entbrannteRussisch-JapanischeKrieg interessierte
mich außerordentlich. Mit demHerzen stand ich eigentlichaufSeiten
der Russen und bedauerte deren konsequente Mißerfolge. Bei die-
sem Empfinden spielte allerdings der Gedanke mit, daß ein Echec
in Asien die Russen wieder zu Aktionen in Europa veranlassen würde,
was niemals zum Vorteil unseres Landes ausschlagen konnte. Eine
Anschauung, die sich später als gerechtfertigt erwies.
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918