Seite - 98 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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von Schlundflüssen zerrissen, ein hochgelegenes Schlußplateau des
schneebedeckten Velebit, das steil und jäh ins Meer abfällt. Zwei
Drittel des Jahres von der Bora durchbraust, mit heißem Sommer
und eisig kaltem Winter, verliehen diese rauhen klimatischen und
topographischen Verhältnisse auch den Bewohnern etwas Hartes,
Insichgeschlossenes. Seit der Provinzialisierung der Militärgrenze und
dem vorherrschenden Einfluß des magyarischen Elementes tat
man für das Land nicht viel, so daß es allüberall Primitivität, sogar
tiefsteArmut gab, wodurch die lycute zu massenhafter Auswanderung
gezwungenwurden. DieseAuswanderungnachNord-undSüdamerika
förderte Ungarn auf das tendenziöseste. Durch die lyika fahrend, sah
man daher vielfach verlassene, verödete Häuser, selbst Weiler und
Dörfer, was einen traurigen Eindruck machte und berechtigten Un-
willen hervorrief. Unzählige vorzügliche Soldaten wurden durch die
Auswanderung von ihrerHeimatabgeschnitten, und mußten während
des Weltkrieges im Feindesland als Arbeiter in den zahllosen Militär-
etablissements, also gegen ihr eigenes Vaterland, dienen. Man hätte
daraus eine gewaltige, vielleicht die Entscheidung bringende Armee
formieren können. Gewöhnlich kehrten die Auswanderer nach meh-
reren Jahren mit einem wahren I^andhunger heim, der sie veranlaßte,
für den Wieder- oder Neuerwerb von Grund und Boden schwindel-
erregende Preise zu zahlen. So hat eben jedes Böse doch sein Gutes.
Die Perle in meinem Inspizierungsrayon büdete das nach dem
Weltkrieg so heißumstrittene Fiume, das ungarische Emporium, das
aber zu allen Zeiten einem Erisapfel in den politischen Beziehungen
Kroatiens und Ungarns gUch. Diese Hafenstadt ist zum Teil eine
Kunstschöpfung. Iinmerhin haftet ihr eine gewisse Großzügigkeit an,
die durch die landschaftliche Szenerie bestens unterstützt wird. Die
nahen Seebäder und Winterkurorte Abbazia, Lovrana, Crkvenica,
landschaftlich der französischenund italienischen Rivierakaum nach-
stehend, machten es erklärlich, daß Fiume zu den häufigst inspizier-
ten Garnisonen der Monarchie gehörte. Und nun haben es die Welt-
ereignisse zu einem Ort gestempelt, von dem aus möglicherweise die
tiefgreifendsten Bewegungen ausgehen können.
GelegentHch einer Truppenübungsreise ereignete sich, wie so oft
in meinem Leben, ein Zufall, der, an sich bedeutungslos, dennoch
einschneidenden Einfluß auf meinen späteren Lebensgang nehmen
sollte. Der Korpskommandant klagte mir, daß er für den kommen-
den Winter keine geeignete Kraft zur Verfügung habe, der er das
Kommando über die Korpsoffiziersschule anvertrauen könnte. Ob-
wohl die Kommandanten systemgemäß aus den Brigadieren zu
wählen waren, machte ich mich erbötig, dieses Kommando zu über-
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918