Seite - 101 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
Bild der Seite - 101 -
Text der Seite - 101 -
daß es sich den Kroaten gegenüber doch einigermaßen hätte ver-
pflichtet fühlen sollen.^)
Nur wenn die ungarischen ünabhängigkeitsbestrebungen gar zu
tolle Formen annahmen, dann, wenn sie in das Getriebe der gemein-
samen Armee eingriffen, gab's versteckte Händedrücke und Augen-
zwinkern, die sich im Frühjahr 1905 sogar in ein: „Kroaten, jetzt
rührt euch" umsetzten. Ein Ausspruch aus dem Mmide einer sehr
hohen, einflußreichen Persönliclikeit. Ich hörte es mit eigenen Ohren.
Überdies erfolgte nach Ermordung der Obrenovid mid nach der
Thronbesteigung Peter Karageorgevics eine intensive Agitation von
Serbien aus, die die Losreißung der südslawischen Lande, in erster
Linie Bosniens und der Herzegowina, aus dem Verbände der Mon-
archie zum Ziele hatte. Hierdurch wurde namentlich der serbische
Teil der Bevölkerung mächtig aufgeregt. Der katholische Teü— also
die Kroaten— stellten sich teüs scharf entgegen, teils glitten sie ab
und zu in das Fahrwasser dieser Bestrebungen hinüber. Und da
diese Bewegung— wie schon erwähnt— von imgarischer Seite durch
die Unabhängigkeitspartei und auch durch etliche Anhänger anderer
Parteien eine direkte Unterstütztmg erhielt, kam es zu dem fast
komischen Resultat, daß die im Grunde sich hassenden und bekämp-
fenden Parteien zunächst eine seelische Allianz schlössen, deren
Spitze sich gegen Wien richtete. Die praktische Auswertung dieser
Allianz bildete die früher genannte Resolutionspartei. Deren nomi-
nelle Führer rekrutierten sich anfänglich aus den ersten Familien des
Landes. Die eigentlichen Treiber waren aber die radikalen Abgeord-
neten Pribidevid, Harambasid, Budisavlievid, Lorkovid, Trumbid, in
erster Linie der Dalmatiner Supüo, wozu dann noch serbische, selbst
türkische Notabein aus Bosnien und der Herzegowina traten. Diese
Resolutionspartei nahm sofort den Kampf gegen die Unionisten- und
Frank-Partei auf, die sich zu keinem einander stützenden Programm
verstehen konnten und im Wahlkampf des Frühjahrs 1906 geschlagen
^) Ein Ausfluß der traditionellen und, wenn man's objektiv nimmt, vielfach
bewährtendynastischenHauspolitik des „Divide etimpera"vmd deshemmvmgs-
losen, nur dvurch etwaige rein persönliche Sympathien gebremsten Beiseite-
schiebens nicht nur getreuester und erfolgreichster Gefolgsmänner, sondern
auch ganzer Völker, wenn die hauspolitischen Umstände dies als fördersam
erscheinen ließen. Eine besondere Herrschereigenschaft des Hauses. Die Kro-
aten— und früher hatte es ja nur Kroaten, solche katholischer imd solche
serbischer Religion gegeben— zählten immer zu den Verläßlichsten und Ge-
treuesten, insbesondere m den Jahren 1848/49. Doch schon ihr berühmter
Führer vmd Banus Jellaöiö hatte die Reversseite höfischer Gvmst zu spüren
bekommen, als er versucht hatte, für seine Landsleute politische Vorteile zu
erlangen. Vielfach wturde auch das fiktive Gespräch zwischen einem Ungarn
und einem Elroaten zitiert, wobei ersterer sagte: ,,Hat, was wir als Straf kriegt
haben, habt ihr als Belohnung bekommen." . . .
lOI
Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918