Seite - 105 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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manöver statt, wobei die latente Krise zwischen dem Thronfolger
einerseits und dem Kriegsminister Baron Pitreich, sowie dem Chef
des Generalstabes Grafen Beck anderseits zur Lösung kam.
Man mußte billig zugeben, daß es schon erforderlich war, an Becks
Rücktritt zu denken. Seine lange Dienstzeit und seine ']'j Lebens-
jahre machten sich in körperlicher und geistiger Beziehung geltend,
was nicht ohne Einfluß auf seine einst souveräne Autorität blieb.
Dazu trat eine senile Halsstarrigkeit, die ihn an veralteten Ideen,
besonders hinsichtlich der militärpolitischen Gesamtsituation, auch
dannnoch festhalten ließ, als dieGrundbedingungen sichschonwesent-
lich verschoben hatten. Graf Beck hatte eine ausnehmend lange
Dienstzeit hinter sich, bei der ihn die besondere Gimst des obersten
Kriegsherrn niemals verlassen hatte. Diese kaiserliche Gunst war
zum Teil die Folge der schlauen persönlichen Taktik des Chefs des
Generalstabes und seiner Schmiegsamkeit, die ihn rasch an die wech-
selnden Situationen sich anpassen ließ. Bei seinem Rücktritt wurde
er mit Ehren überhäuft und zum Kapitän der Arcieren-Leibgarde
ernaimt. Zehn Jahre später vrardeihm noch die Charge eines General-
obersten verliehen. Diesem Manne ist das Glück an äußeren Ehren
wohl nichts schuldig geblieben.
Der Thronfolger verargte dem Kriegsminister Pitreich die Kon-
zessionen an die Ungarn in den Heeresfragen und die steten Rück-
züge, die er dabei antrat. Vielleicht bewies Pitreich wirklich zu wenig
Festigkeit, und vielleicht vermied er auch, ab und zu ein energisches
Entweder-Oder zu sagen. Anderseits fehlte ihm aber auch im ent-
scheidenden Moment jene Unterstützung, ohne die bei ims ein Mi-
nister wohl kämpfen, aber niemals siegen konnte. Pitreich war ein
begabter und hochehrenwerter Mann. In normalen Zeitläufen hätte
er das obersteAmt der Kriegsverwaltung reibungslos imd gewiß auch
erfolgreich geführt. Großzügig war er nicht, daher auch großen Si-
tuationen nicht voll gewachsen. Doch— wenn er es auch gewesen
wäre, wie lange hätte er es bei unseren Verhältnissen wohl bleiben
können ?
Sein Nachfolger war der LandesVerteidigungsminister Schönaich,
auf den man große Hoffnungen setzte, und der auch zweifelsohne
eine begabte Persönlichkeit war.
Schwieriger verhielt sich's mit der Nachfolge des Chefs des General-
stabes. In Betrachtkamen die Generale Fiedler, Potiorek und Conrad
vonHötzendorf . Fiedlerwar vielleicht der fähigste, dochimAlterschon
etwas vorgeschritten und körperlich schwerfällig. Potiorek, bei aller
Anerkennungseiner geistigenFähigkeiten, war wenig beliebt, eherge-
fürchtet. Conrad war der Kandidat des Thronfolgers. Überdies ver-
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918