Seite - 139 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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auseinander, und in erster Linie waren es die serbischen Knieten, die
auf ihren relativen Reichtum und wohl auch auf die Einflußnahme
von außen gestützt, die baldige Lösung im radikalsten Sinne herbei-
führen wollten. So kam es, daß sich Volksmengen in der Gegend von
Prijedor zusammenrotteten, die Agas verjagten, und daß sich diese
Bewegung wie ein Lauffeuer in der Gegend der Save und untern
Drina fortsetzte.
Da hieß es rasch handeln, und ich brachte mein oft durchdachtes
System in Anwendung, gleich im Beginne mit der größten Kraft-
entfaltung aufzutreten. In wenigen Tagen war hierdurch die Be-
wegung abgelaufen, ohne daß es zu irgendeinem Zusammenstoß ge-
kommen wäre.
Unmittelbar darauf folgte ein Grenzkonflikt mit Serbien. Der
Unterlauf der Drina, und zwar die Linie des Stromstriches, büdete
die Grenze zu diesem Land. Die Serben benützten mit Vorliebe die
Gelegenheit, beim Wechsel der Wasserrinne sich in den Besitz kleiner
abgetrennter Terrainteile zu setzen, die bosnischen Bauern und andere
Eigentümer zu verjagen oder ihnen mindestens das Weiderecht und
sonstige Nutzungen zu entziehen. Oktober 1910 kam's nun wieder
zu Streitigkeiten auf einer größeren Insel, wobei unsere Bauern ver-
trieben und deren Vieh weggenommen wurde. Ich traf die nötigen
Vorkehrungen in sehr entschiedener Weise, und es gelang mir, auch
diesen Konflikt ohne Blutvergießen beizulegen.
Wenige Wochen später kam's zu einem Grenzstreit mit türkischen
Baschi-Bozuks, die in der Gegend von Ruda (im nordwestlichsten
Winkel des Sandzaks Plewlje) in Verwendung standen. Ich erhielt
diese Nachricht in Wien, woselbst ich weilte, um mich für die Ver-
leihung des Regiments zu bedanken. Mit dem Telegramm, das auch
Tote und Verwundete meldete, ging ich zum Minister Aehrenthal.
Ich traf ihn just bei der Toilette, da an diesem Abend bei ihm ein
Delegationsempfang stattfand. Er klagte, daß er infolge einer über-
standenen Influenza an Schwerhörigkeit leide. Ein Übel, das sich
nie mehr besserte und wohl schon ein Vorbote seiner schweren Er-
krankung gewesen sein dürfte. Er nahm meine Mitteilung über den
türkischen Grenzzwischenfall ruhig auf und meinte, die Türken wür-
den klein beigeben, da sie gerade daran seien, bei uns eine Anleihe
aufzunehmen. Nichtsdestoweniger beschleunigte ich meine Abreise
und fuhr an Ort und Stelle. Das Verhalten der Grenzgendarmerie
war wie immer einwandfrei. Das Auftreten des militärischen Kom-
mandanten blieb jedoch schüchtern, da dieser sonst tüchtige Stabs-
offizier vor der Möglichkeit der politischen Konsequenz zurück-
schreckte. Dies gab mir Veranlassung zu einem belehrenden Zir-
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918