Seite - 141 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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vernünftig, rationell und vor allem nicht kommissig— gewinntman
soam sichersten dasVertrauen und den Respekt seiner Untergebenen.
Vertrauen und Respekt, die nicht nur auf die goldenen Borten und
silbernen Sterne aufgebaut sind.
Dezember 19lo besuchte ich mein Regiment, vielmehr die in der
Stabsstation Szaszvaros dislozierten Teile, und verbrachte bei den
braven ,,Auffenbergern" angenehme Soldatentage.
Indessen war in Wien eine lebhafte Delegationssitzung im Gange,
wobei der Kriegsminister Schönaich die Kredite für die endliche Er-
neuerung des Wehrgesetzes vom Jahre 1889, sowie für die Heeres-
ausgestaltung zu erkämpfen hatte. Damit war die Einführung der
zweijährigen Dienstzeit sowie die vollständige Novellierung des Mili-
tärstrafverfahrens verbunden.
Bei diesen Kämpfen war sich Schönaich des Rückhaltes seines
kaiserlichen Herrn und der Müitärkanzlei gewiß. Anderseits machte
sich die Gegnerschaft des Thronfolgers und des Chefs des General-
stabes offensichtlich geltend. Bei beiden lagen nebst den sachlichen
auch persönliche Motive vor. Überdies bei Franz Ferdinand derUm-
stand, daß— seiner Meinung nach— Schönaich den nationalunga-
rischen Forderungen gegenüber zu nachgiebig geblieben war. Bei
Conrad, daß Schönaich den von ihm dringendst gestellten Wünschen
hinsichtlich der Armeeausgestaltung Zustimmimg und Eintreten ver-
sagt hatte.
Der Krieg wurde leidenschaftlich geführt, wobei der Minister sich
kleiner demagogischer Mittel bediente und in offener Parlaments-
sitzimg (ohne Namensnennung) seine beiden Gegner an den Pranger
stellte. Dies reizte den temperamentvollen Erzherzog aufs äußerste.
Er drang beim Kaiser mit größter Entschiedenheit auf den Rück-
tritt Schönaichs und stellte mich als dessen Nachfolger hin. Damit
begann der Krieg um diesen Posten. Er währte fast ein Jahr. Der
Erzherzog ging schließlich als Sieger hervor, und der Siegespreis—
meine Person— tauchte mit allem Haß beladen empor, den solche
Kämpfe stets auszulösen pflegen. Franz Ferdinand wollte, daß der
Wechsel sofort erfolge, traf damit aber auf den Widerstand des Kai-
sersund der Militärkanzlei. Letztere, repräsentiert durch die Generale
Bolfras und Marterer, tat ihr Möglichstes, den greisen Herrn zu be-
stärken. Ich selbst verhielt mich vollkommen passiv. Ich wußte,
daß es ein Danaergeschenk sei. Auch fühlte ich viel zu tief die Ver-
antwortung, die tmter den obwaltenden Umständen auf mir lasten
würde, als daß ich persönlich mehr als sozusagen meine stülschwei-
gende Einwüligung hinzugefügt hätte. Am Schluß der Delegation war
es klar, daß der Thronfolger vorerst nicht durchdringen würde. Im-
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918